Achtung, Ironie!

Chäslager Stans, 24.02.2018: Slam-Poetin, Musikerin, Filmemacherin, Videokünstlerin, Showbiz-Profi Lara Stoll besuchte Stans. Ihre Texte sprühten vor Ironie, waren immer humorvoll, manchmal «bizli depro», selten konsequent kritisch – doch 70 Minuten beste Unterhaltung.

«Sie ist eine Slam-Poetin, eine der wenigen Frauen in der Szene, aber schon eine von den grossen Namen.» So wurde Lara Stoll am 8. Februar 2009 in der Late-Night-Show «Giacobbo/Müller» angekündigt. 21 Jahre jung war Stoll damals, und Slam Poetry gemäss Viktor Giacobbo noch eine «neue, sehr frische Art von Lyrik.» Neun Jahre später ist Slam Poetry nicht mehr so neu und frisch, und Lara Stoll hat die magische Altersgrenze von 30 Jahren geknackt.

Mit ihrem zweiten Solo-Programm «Krisengebiet 2: Electric Boogaloo» gastierte sie an diesem Samstagabend in Stans. 70 Minuten lang gehörte die Bühne ganz ihr allein. Für einen Poetry Slam untypisch, startete Stoll mit ihrer Text-Sammlung ausser Konkurrenz. So hatte sie es einfach: Die Gunst des zahlenden Publikums war ihr von Anfang an sicher. Ihr Auftritt konkurrierte bloss mit anderen Veranstaltungen in Stans – von denen es bestimmt haufenweise gibt, wie Stoll ironisch anmerkte. Überhaupt Ironie: Diese entpuppte sich in Stolls Programm als Allzweckwaffe. Kein Text, der nicht sarkastisch Erst-Welt-Probleme verhandelte, oder zynisch Richtung unvermeidlicher Tod blickte. Nichts und niemand blieb von ironischen Seitenhieben verschont: Weder das «einschläfernde» SP-Parteiprogramm, noch SVP-Scharfmacher Andreas Glarner.

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Ernst gemeint sind die Sprüche bestimmt, ihre Durchschlagskraft wird durch den lockeren ironischen Ton jedoch teils etwas abgeschwächt. Dessen ist sich die Künstlerin, ganz selbstironisch, natürlich bewusst. Auch hätte sie sich schon mal einen Ruck gegeben, und gesagt: «Stolli, jetz schriibsch mol öpis ehrlichs!» Sogleich wurde es autobiographisch: Es folgte der kürzeste Text des Abends, in dem es darum ging, wie Lara Stoll eines Abends keine Spaghetti gegessen hatte. Auch der einzige komplett wahrheitsgetreue Text wurde dadurch ironisch gebrochen, dass er bewusst nicht unterhaltsam war. Wesentlich weniger als Stolls fiktive Szenarien, etwa von ihrer Bewerbung als erster weiblicher Samichlaus, welche stets wortgewandt erzählt wurden.

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Auf eine vorgeblich wahre, meist abstruse Geschichte folgte die nächste. Mal lang, mal kurz. Mal gesprochen, mal gesungen. Mal langsam, und mal mit beeindruckend schnellem Zungenschlag, der sich auch vor Doubletime-Rappern wie Mimiks nicht zu verstecken brauchte. Für Feuerwerke wie bei Helene Fischer reichte es leider nicht, Knallteufel mussten genügen. Dafür bezahle man auch weniger für das Ticket, merkte Stoll an. Schön verwoben wurden die eigentlich zusammenhangslosen Texte durch ständige Querverweise auf bereits Gesagtes. Und wer den Kopf immer bei der Sache, und die Ohren gespitzt hatte, der freute sich über eine Flut von Referenzen auf Kultur und Politik: Game of Thrones, Rickrolling, die SRF-Arena, die Billag-Gebühren, Uriella.

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Sesshaftigkeit oder aufziehende Midlife-Crisis sind bei Lara Stoll nicht in Sicht. Sie hat sich ihre Jugendlichkeit bewahrt: Kinder sind weiterhin «kacke», wie sie in einem musikalischen Intermezzo singt, und die eigene Mutter wird verlässlich jeden Sonntag besucht. Selbstverständlich zum Abendessen, und auch ein bisschen um den Eltern den Umgang mit dem Smartphone näherzubringen. Stolls Texte sind frech, kurzweilig, unterhalten meist prächtig. Als Wermutstropfen bleibt, dass die Gesellschaftskritik in jedem Text zwar angetönt, nie aber ausformuliert wurde. Die grossen «Aha!»-Momente gibt es nicht in Lara Stolls «Electric Boogaloo»– doch die Lacher sind ihr sicher.

Fotos: Markus Frömml. Titelbild: zvg