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null41 Kulturmagazin: Belia Winnewisser – Geister sind oft liebe Geschöpfe

05.09.24

Musik

Geister sind oft liebe Geschöpfe

In ihrem neuen Album taucht Belia Winnewisser in Kindheitserinnerungen ein – verspielt, suchend und mutig.

Alice Galizia (Text) und Ullmann Photography (Bild)

«This is so real» oder «This is surreal», so echt oder surreal: Man hat’s nicht richtig verstanden, oder besser, verstehen wollen, als eine Zeitlang dieser schon beinahe unverschämt hymnische Track durch die Stuben und Clubs geisterte: Belia Winnewissers «So Real» von ihrem zweiten Album «Soda», erschienen im Jahr 2021. Inmitten experimenteller Tracks lag diese auf Club gedrehte Popnummer; ein Track, fast zu kitschig und damit genau richtig für vier Uhr nachts, wenn man das Gefühl hat, niemals wieder heimzuwollen. Dass Winnewisser zum Glück keine Angst hat vor Pop, war spätestens damit klar.

Nichts fürs halbe Ohr

«Primetime Bangers» mache sie allerdings nicht, stellte die in Luzern aufgewachsene, nun in Zürich lebende und arbeitende Musikerin und Produzentin Belia Winnewisser in einem Interview fest. Eher sei ihre Musik eine Begleitung; eine Möglichkeit, etwas dazu zu machen, sich zu konzentrieren, zu putzen vielleicht sogar? Das bedeutet aber nicht, dass ihre Musik etwas wäre für das halbe Ohr. Denn was sich in ihrem Sound auftut, ist ein Tummelplatz, ein Ort zwischen Kontemplation und Zerstreuung, zwischen genauer Beobachtung und verschwommenem Blick, zwischen Gegenwart und alten Geistern.

Nun ist «The Essence Of» beim jungen Kölner Label Spa erschienen, Belia Winnewissers drittes Album. Dieses führt nun an einen ebensolchen Ort, so zumindest fühlt es sich an beim Hören: Von Geistern umgeben sein, das geht im Grunde zu jeder Tageszeit, und oft sind es liebe Geschöpfe, die einen für ein Stück Weg an der Hand nehmen. Winnewisser sei tief abgetaucht für dieses Album, heisst es in den Liner Notes dazu, auf der Suche nach Ursprüngen ihrer selbst, dort, wo ihre Musik herkommt: Kindheitstage, Draussensein, Filmschnipsel, The Legend of Zelda und natürlich musikalische Einflüsse aller Art, die sich über die Jahre zu einer Art Humus verdichteten, aus denen diese Musik nun spriesst.

Wiesen und Wälder

Wie in ihren zwei bisherigen Alben finden sich auch in «The Essence Of» einige schöne Popmelodien, die zusammen mit experimentellem Material, suchenden Klängen und Strukturen zu dieser vielschichtigen Musik verwachsen. Stärker als auf «Soda» wird im neuen Album die Suchbewegung betont, das Zögerliche und Fragende, das allerdings nicht in Unsicherheit mündet, sondern in lustiger Verspieltheit. Schon mit dem Opener «Inside Shell» wird das klar: Hier scheint sich eine Spielfigur aufzumachen in eine Welt von Wiesen und Wäldern. Was sie wohl vorfinden wird? 

Eine hauchende, verwehte Stimmebene im weichsten Track des Albums («Melting Away») etwa, lustige Bauten aus Bass, Synthie und Geräusch («Red Sky») oder eine sich fleissig hochschraubende Hymne zum Schluss («Fanitullen»). Und obwohl man hören kann, wie Winnewisser hier Dinge ausprobiert und zusammenfliessen lässt, wirkt «The Essence Of» nicht unfertig oder wacklig, sondern konzis. Was man herausfindet, wenn man tief in sich geht und einen angesammelten Haufen wundersamer Dinge antrifft: Nicht einmal dort ist der Mensch allein mit sich.

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