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Bild Kaputnik, fotografiert von Ingo Hoehn

03.10.23

Theater

Wild, witzig, weltbewusst

Die Bazooka Bandi bringt wichtige Themen kindergerecht auf die Bühne: also laut, schräg und mit Humor.

Anna Chudozilov (Text) und Ingo Hoehn (Bilder)

Wir sassen auf der Terrasse der Ferienwohnung und schauten andächtig in den Sternenhimmel, das Meer so nah, dass wir die Wellen hörten. Da brach mein Kind plötzlich in frenetischen Jubel aus: Über uns zog eine Kette von Starlink-Satelliten vorbei, ins All geschossen von SpaceX, dem Raumfahrtunternehmen von Elon Musk. Elon Musk, das ist einer, der es geschafft hat, findet mein Kind. Ein echter Erfinder. Unendlich reich. Und jetzt, jetzt erobert er das Weltall.

Elon Musk ist nicht der einzige Milliardär, der sein Imperium aufs Weltall ausweiten möchte. Amazon-Gründer Jeff Bezos und Virgin-Group-Chef Richard Branson waren schon persönlich da oben, alle drei versuchen, aus der Raumfahrt Kapital zu schlagen. Die Welt ist nicht genug. Und genau das findet auch der Held – oder doch eher Bösewicht? – im Stück «Kaputnik und das Biest aus dem All». Anstatt die vermüllte Erde wieder in Schuss zu bringen, beschliesst er kurzerhand, eine neue zu bauen. Grösser, besser, schöner – und ganz für sich allein.

DIE ERDE IST NICHT GENUG

Das Stück handelt von einem, der sich ohne Rücksicht auf andere nimmt, was er will – und wenn die Erde nicht genug ist, dann gibt’s ja noch das unendliche Weltall. Um seine irren Pläne in die Tat umzusetzen, braucht Kaputnik nur noch die Tränen eines plutonischen Hundes und eine Baubewilligung des Marskönigs. Allerdings hat er die Rechnung ohne Pluto, das Biest aus dem All, und das Roboterkindermädchen Fritteuse gemacht, die sich dem Grössenwahn gemeinsam in den Weg stellen.

Musk, Bezos und Branson haben die Figur des Kaputnik durchaus inspiriert, erzählt im Anschluss an eine Probe Patric Gehrig, künstlerischer Leiter und Regisseur des Stücks. Am Tisch sitzt auch Saskya Germann, die für Bühne und Kostüme zuständig ist. Gemeinsam mit Gehrig hat sie 2019 das Kollektiv Bazooka Bandi gegründet, das nach «Raffzahn Jack und die Rächer der Gartenbausiedlung» nun sein zweites Stück auf die Bühne bringt. «Wir machen Theater für Kinder, das frech und unkonventionell ist, bei uns wird auch mal richtig geflucht», erzählt Gehrig.

Was ihre zentrale Botschaft sei? «Höchstens die, dass Freundschaften wichtig sind, dass Bandenbilden gegen das Üble in der Welt hilft», fährt Gehrig fort. Im Kern geht es dem Kollektiv darum, mitreissende Geschichten zu erzählen, anspruchsvolles Theater zu machen. Mit ihren Stücken haben sie in erster Linie ein Publikum im Alter von sechs bis zwölf Jahren im Visier. «Uns ist klar, dass die Kinder nicht allein vor Ort sein werden. Wir legen Wert darauf, dass auch die Erwachsenen auf ihre Kosten kommen», sagt Germann.

Aufgebaut sind ihre Stücke auf Überlegungen rund um gesellschaftlich brisante Fragen, die auch Kinder beschäftigen. Ihr Sohn inspiriere sie durch seinen Blick auf die Welt, erzählen Germann und Gehrig. Das war schon 2020 so, da thematisierte die Bazooka Bandi im Stück «Raffzahn Jack und die Rächer der Gartenbausiedlung» die Auswirkungen der Gentrifizierung auf Kinder. Tatsächlich kann sich der Alltag massiv verändern, wenn günstige Wohnungen in einem Quartier knapp werden und mit ihnen auch die Freund:innen verschwinden, die sie bewohnten.

Im Herbst verhandelt die Bazooka Bandi nun rücksichtslose Männer mit Allmachtsfantasien und die Frage, was man ihnen als hundsgewöhnliches Wesen entgegensetzen kann.

NACHHALTIGKEIT GIBT’S NICHT KOSTENLOS

Sich dem zerstörerischen Konsum zu widersetzen – das versucht die Bazooka Bandi auch hinter den Kulissen. «Wir sind nicht perfekt, aber wir geben uns Mühe, unsere Produktion so nachhaltig wie möglich umzusetzen», so Saskya Germann. Das fängt dabei an, dass alle Beteiligten so oft wie möglich mit dem Velo oder den öffentlichen Verkehrsmitteln zu den Proben fahren und das Zmittag von zu Hause mitbringen, anstatt es in zwei Schichten Plastik eingepackt zu kaufen.

Nachhaltig werden auch die Ausstattung und das Bühnenbild gestaltet. «Die Hälfte des Bühnenbildes stand schon bei ‹Raffzahn Jack› auf der Bühne», erzählt Germann, die das Schiff aus der letzten Produktion nun zu einer Raumfähre recycelt hat. Wenn immer möglich kauft sie Kostüme und Requisiten secondhand, durchforstet Brockis und das Internet und holt die Ware dann mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ab. Das ist zeitintensiv und entsprechend teuer. 

Genauso wie es zwar umweltfreundlicher ist, Plakate lokal drucken zu lassen, als Werbematerial aus Deutschland einzuführen, aber beileibe nicht günstiger. «Wir haben von Geldgeber:innen schon gehört, dass sie unsere Arbeit an einem nachhaltigen Theater schätzen», sagt Gehrig. Allerdings fehlen Geldtöpfe, die den zusätzlichen Aufwand auch entschädigen. Ohne die Bereitschaft, mehr Zeit zu investieren, als bezahlt wird, hätte die Bazooka Bandi viele Ideen für nachhaltigere Lösungen nicht umsetzen können. Geldgeber:innen und Förderprogramme müssen künftig berücksichtigen, dass nachhaltige Produktionen mit höheren Kosten verbunden sind. Und gleichzeitig ist ein sorgsamer Umgang mit Ressourcen unumgänglich, wenn wir als Menschheit auf dieser Erde überlebenwollen.

DISKUSSIONSGRUNDLAGE STATT ANTWORTEN

Trotz ihres Idealismus ist es Madleina Cavelti, der Dramaturgin des Stücks, Patric Gehrig und Saskya Germann wichtig zu betonen, dass die Bazooka Bandi kein pädagogisches Projekt mit erhobenem Zeigefinger ist. «Wir wollen in erster Linie grossartiges Theater bieten und nicht den Eltern Arbeit abneh- men», sagt Gehrig. Das Stück bringt wichtige Themen aufs Tapet, arbeitet mit prototypischen Figuren, lässt ihre Motivation für Kinder nachvollziehbar werden – aber Antworten auf die Fragen unserer Zeit, die werden nicht einfach gegeben. Dafür müssen sich die Eltern schon selbst hinsetzen mit den Kindern und darüber diskutieren, was das für unsere Welt zu bedeuten hat, wenn einer wie Musk den Sternenhimmel aufmischt.

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