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Luca Sisera, Roofer Clazz, fotografiert von Börries Hessler

02.10.23

Musik

Stimmen im Kopf

Das Projekt «Clazz» vereint Klassik und Jazz. Über zwei Jahre arbeitete der Kontrabassist Luca Sisera an der orchestralen Komposition, ohne sich von Aufwand, Stilistik und Finanzen einschränken zu lassen.

Anna Girsberger (Text) und Börries Hessler (Bilder)

Begriffe wie «genreübergreifend» oder «interdisziplinär» liegen im Trend. Musikalische Projekte wollen sich nicht mehr schubladisieren lassen. Allerdings besteht die Gefahr, dem Publikum eine unzugängliche Mischung aus fragwürdig zusammengewürfelten Einflüssen zuzumuten. Im besten Fall hingegen ergibt sich eine glaubhafte Synthese wie das Projekt «Clazz», das verschiedene Stile, Komposition und Improvisation auf frische Art und Weise miteinander zu vereinen weiss.

«Clazz» ist ein Projekt für Sinfonieorchester und Jazzquintett und stammt aus der Feder des Kontrabassisten und Komponisten Luca Sisera. Nach einem über zweijährigen Entstehungsprozess wurde es im September 2022 im Saal am Lindaplatz in Schaan erstmals aufgeführt. Im Juni 2023 erschien die Suite in fünf Sätzen beim Label nWog Records.

Es handelt sich um die erste Komposition Siseras von orchestraler Grössenordnung. «Ich hatte viel zu viele Stimmen im Kopf, die mussten endlich auf Papier gebracht und gespielt werden», erzählt er lachend.

IMPROVISIERENDES ORCHESTER UND ORCHESTRALE JAZZBAND

Der Titel «Clazz» setzt sich aus den Begriffen Klassik und Jazz zusammen. Es ist eine selbstbewusste Wortschöpfung des normalerweise eher selbstkritischen Bassisten, die Erwartungen schürt, Musik «von Klasse» zu erleben. So subjektiv die Definition der «Klasse» auch sein mag, das Projekt scheint zu halten, was es verspricht. Medial stiess es auf viel Resonanz und an seiner Uraufführung in Schaan sogar auf eine achtminütige Standing Ovation.

Aufgeführt wird die Suite von der 41-köpfigen Kammerphilharmonie Graubünden und Luca Siseras eigenem Jazzquintett Roofer in leichter Umbesetzung. Am Kontrabass wird der in Willisau wohnhafte Musiker durch Andreas Waelti ersetzt. Die Entscheidung, selbst nicht am Instrument mitzuspielen, sei hart gewesen: «Da habe ich gelitten. Retrospektiv war es der richtige Schritt. So kann ich der Musik objektiver von aussen zuhören und letzte feine Justierungen vornehmen.» Das Dirigieren übernimmt Gaudens Bieri.

In fünf heterogenen Sätzen verarbeitet SiseraErlebtes,wiezumBeispieldieGeburt seines Sohnes oder eine sich endlos anfühlende Reise mit dem Frachtschiff nach New York. Grenzen zwischen Komposition und Improvisation schwinden. «Ich wollte nicht, dass eine improvisierende Jazzband von einem Orchester mit ausschliesslich auskomponierten Noten begleitet wird. Ich wollte eine Vermischung, ein improvisierendes Orchester und eine Jazzband, die auch orchestral fungiert.»

Solistisch herausragend ist Luise Volkmanns gefühlsbetontes Spiel am Altsaxofon. Während 70 Minuten halten überraschende Übergänge und Wendungen die Aufmerksamkeit. Wer einen Blick auf die Partitur wirft, findet Anweisungen wie «Use hand to rub body of instrument in a figure eight motion» oder «Switch spontaneously between the numbers 1 to 4 or don’t play at all».

An der Uraufführung sei von älteren Menschen im Anzug bis hin zu 25-Jährigen in T-Shirt und Jeans alles mit dabei gewesen. Sisera zeigt sich sichtlich erleichtert über diese Vielfalt der Zuhörer:innen: «Grenzen zu sprengen und Raum für Diversität zu schaffen, das war mein grösster Wunsch.»

ZWEI JAHRE IN DREI TAGEN

«Clazz» sprengt nicht nur stilistisch, sondern auch finanziell den Rahmen. Ein Glück, dass sich für das ausserordentlich hohe Budget eine motivierte und professionelle Produktionsleitung finden liess. «Meine Band ist mir mit den Gagen der So- list:innen entgegengekommen, das Orchester verdient gemäss Tarif, der ist ein wenig tiefer», erläutert Luca Sisera. «Ich würde die Musiker:innen gerne besser bezahlen, gerade weil meine Musik aufwendig und stellenweise sehr schwer zu spielen ist. Die Musiker:innen mussten so einige unbezahlte Stunden investieren.» Die Uraufführung wurde, ebenfalls aus Kostengründen, in nur drei Tagen einstudiert. Trotz der finanziellen Herausforderung zeigt sich Sisera zuversichtlich: «Die Verhandlungen für Konzerte laufen. Fest steht, es wird weitere Aufführungen geben.»

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Bild von Luca Sisera, fotografiert von Börries Hessler

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