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Feministischer Streit Dennis Wittmann

01.06.24

Das Privileg der Zeit

Der feministische Streik lebt seit 2019 wieder auf. Die Arbeit nimmt nicht ab und die Mobilisierung von Personen, die den Streik organisieren, wird schwieriger. Ein Gespräch mit dem feministischen Streikkollektiv Luzern.

Nataša Mitrović (Text) und Dennis Wittmann (Bild)

1991 überrollte die Schweiz eine grosse Protestwelle. Hunderttausende gingen für Gleichberechtigung auf die Strasse. An diesem Frauenstreik Anfang der 1990er-Jahre demonstrierten auch in Luzern Tausende unter dem Motto «Wenn Frau will, steht alles still». Danach blieb der Streik mehrere Jahre aus. 2019 dann die historische Wende: Am 14. Juni verwandelte sich die Luzerner Innenstadt in ein lila Meer aus Transparenten und erhobenen Fäusten. Schweizweit liessen sich über eine halbe Million Menschen mobilisieren, um für Gleichberechtigung einzustehen, in Luzern waren es mehr als 3000.

Jana Z’Rotz und Kathrina Mehr vom feministischen Streikkollektiv bekommen leuchtende Augen, wenn sie daran zurückdenken: «Diese Kraft, die spürbar wird, wenn so viele Menschen zusammenkommen, um für die gleichen Anliegen zu streiken, ist überwältigend», sagt Jana Z’Rotz. Damals lag eine Aufbruchstimmung in der Luft, das habe auch das Streikkollektiv gespürt – sowohl auf der Strasse als auch bei der vorangegangenen Organisation.

Eine Frage der Ressourcen

Seit 2019 hat die Sensibilisierung für feministische Themen zugenommen. Forderungen, wie etwa jene nach der Anerkennung von Care-Arbeit, werden auf dem politischen Parkett verhandelt. Um dies zu gewährleisten, nimmt auch die unbezahlte Arbeit zu, die Organisationen wie das Streikkollektiv leisten. Gleichzeitig werde es immer schwieriger, so Kathrina Mehr, Menschen zu mobilisieren. Letztes Jahr wurden die Vorbereitungen für den Streik in Luzern von knapp zwölf Personen gestemmt. Das ging nicht spurlos am Kollektiv vorbei. «Danach waren wir ausgebrannt und hatten kaum Kapazität, um weitere Aktionen zu organisieren», sagt Jana Z’Rotz. Aktivist:innen wie Jana Z’Rotz und Kathrina Mehr machen den feministischen Streik in der Stadt Luzern überhaupt erst möglich. Bereits Monate vor dem Streik treffen sich das Kollektiv und die freiwilligen Helfer:innen. «Es gibt zahlreiche Aufgaben zu erledigen, vom Flyern über Verhandlungen mit der Stadt bis hin zu technischen Aufgaben, wie zum Beispiel dem Bau des Demo-Wagens oder der Organisation des Equipments für die DJs», führt Jana Z’Rotz aus. Um diese zu bewältigen, hat sich das Kollektiv in Arbeitsgruppen aufgeteilt. Über die Frage, wieso sich weniger Menschen engagieren, können Jana Z’Rotz und Kathrina Mehr nur spekulieren: «Das Engagement setzt das Privileg der Zeit voraus. Wir denken nicht, dass das Interesse kleiner geworden ist, es ist vielmehr eine Frage der individuellen Ressourcen», so Kathrina Mehr. Mit ähnlichen Herausforderungen sähen sich auch andere Kollektive konfrontiert, die auf Freiwillige angewiesen sind. Aus diesem Grund seien im feministischen Streikkollektiv häufig Student:innen oder Menschen ohne verpflichtende Care-Arbeit engagiert. Erreicht werden Interessierte über Flyer, Mundpropaganda oder Social Media. Auch dafür sind personelle Ressourcen nötig. Die Kosten für die Flyer werden – wie alle Ausgaben für den Streiktag – über Einnahmen durch Veranstaltungen und den Verkauf von Merch-Artikeln finanziert.

«Das Engagement setzt das Privileg der Zeit voraus. Wir denken nicht, dass das Interesse kleiner geworden ist, es ist vielmehr eine Frage der individuellen Ressourcen.»

Kathrina Mehr, Feministisches Streikkollektiv Luzern

Jedes Jahr aufs Neue

Neben dem politischen Gedanken habe für Jana Z’Rotz und Kathrina Mehr das Engagement auch persönliche Vorteile: «Aus dem Kollektiv sind viele Freundschaften entstanden, ausserdem treffen verschiedene Meinungen aufeinander, das ermöglicht eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Haltung», sagt Kathrina Mehr. Sie habe dank des Austauschs im Kollektiv viel über sich und queer-feministische Anliegen gelernt.

Da sich die Arbeitsgruppen jeweils nach dem Streiktag auflösen, startet das Kollektiv jedes Jahr aufs Neue einen Aufruf. Jana Z’Rotz und Kathrina Mehr ist es wichtig, dass nicht nur an einem Tag im Jahr an feministische Anliegen erinnert wird. Sie möchten mehr kurzfristige Aktionen organisieren und so auf aktuelle Ereignisse reagieren. Damit das möglich wird, beginnt das Kollektiv bereits zwei Wochen nach dem 14. Juni mit der Entwicklung neuer Ideen.

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