Exist & Samplix – Eines Tages

Plattenwechsler: Selten war ein Debütalbum so nostalgisch. Auf klassischen 90BPM-Beats von Samplix rollt Exist sein Leben chronologisch auf. Die Retrospektive ist konsequent umgesetzt, doch schwelgt zu oft in Vergangenem.

Kindheit, Pubertät, Studium, und jetzt schon «fascht 30i»: Auf «Eines Tages» klappert Exist 84, mit bürgerlichem Namen Marc-André Wermelinger, die Stationen seines Lebens ab. Durchwegs solide rappt der Luzerner Musiker über die traditionsbewussten Beats des Produzenten Samplix. Ein Sound, der statt an die zeitgenössischen Produktionen von Feature-Gästen wie LCone, an Schweizer Klassiker von Sektion Kuchikäschtli oder Breitbild anknüpft. Ebenso nostalgisch wie die Beats fallen die Lyrics aus. Bildhaft und beschreibend erzählt Exist von Kaugummi-Zigis, vom Torwart-Sein-Müssen während des Schulsports, oder vom Dokus-Schauen auf dem versifften WG-Sofa. Das macht Exist als Menschen nahbar – doch die Songs nicht immer interessant.

Die stärksten Momente des Albums sind jene, in denen Exists Texte nachempfindbar sind, weil sie Spielraum für Interpretationen lassen. «Reis zom Mond» packt den Verlauf einer Beziehung in eine Raumfahrt-Metapher. In «Hommage» dankt Exist seiner Leidenschaft Rap und Graffiti dafür, ihn geprägt zu haben. Die Zeilen dieser Songs lassen sich problemlos auf die eigene Beziehung, die eigene Leidenschaft, übertragen. Die Balance zwischen persönlich und allgemein zugänglich stimmt.

Die schwächsten Momente dagegen handeln von alltäglichen Struggles, die zum Songthema aufgeblasen werden. Das klingt dann entweder platt: «Das esch s Life vomne Konschtstudänt, Bro / Jo, mer läbed de Momänt, kei Tag wie de ander, Loscht ond Schmärz, Bro» («Konschtstudänt»). Oder pathetisch: «Wenn ech min Maa muess stoh, pack ech mini Eier / Säg a de Militärushebig ech wott Zivi leischte» («Fuck the System»). Zudem sind die Referenzen auf die jungen Jahre zuweilen banal. Mario Kart, Tamagotchi, Flic-Flac-Uhren: 90er-Nostalgie, wie sie vielerorts zu sehen oder hören ist.

Die meist gerappten Worte auf dem Album sind «Traum» und «träumen». Sich verwirklichen zu können ist wichtig, denn «do gohds ned drom was du hesch, sondern drom was du machsch, aso mach, was du wetsch» («Fuck the System»). Auch heute hat Exist noch Träume, wie «en Frau wo ke Poppe vom Maa sii wott, wo för Sälbschtbewosstsii ond e Haltig stohd» («Blächragete»).

Doch was braucht es, um Träume zu verwirklichen? Auf dem ersten und dem letzten nicht-instrumentalen Song beantwortet Exist diese Frage. Im ersten heisst es: «Sie hend de Glaube dra ond Fantasie.» Im letzten dagegen: «Mer hend de Glaube dra ond Nostalgie.» Doch kann Nostalgie die Fantasie ersetzen?

Mit «Eines Tages» hat sich Exist den Traum vom Debütalbum endlich erfüllt. Samplix liefert Beats, auf denen sich Exist ohrenscheinlich wohlfühlt. Ein persönliches Stück Luzerner Hip-Hop, dem etwas mehr «Fantasie» statt «Nostalgie» gutgetan hätte.

Exist & Samplix: Eines Tages (2019, U-Hill Records)

Live: SA 9. Februar, 21 Uhr

Molo Bar, Luzern