Zwischen Raum und Realität

Südpol Luzern, 06.12.2014: «zwischen Raum», die erste inhaltliche Kooperation von Kleintheater und Südpol, war eine kurzweilige Reise ins Nirgendwo.

(Von Yasmin Billeter)

Ein verlorenes Gefühl: irritiert, was gerade mit dem Karton geschieht, der schimmert wie Beton. Kartonelemente werden zu Strassen, werden zu Häusern, werden zu einer Stadt. Das Publikum soll sich einen Stuhl nehmen, sitzen und beobachten. Dunkel, beklemmend wummert der Bass. Ausgeleuchtete Architektur, Ausschnitte, Einblicke, geschickt inszenierte Körperteile, geschnittene Bewegungen und drei Tänzer, die schnell und unerwartet voranschreiten, den selbst kreierten Raum immer wieder neu auslegen, verzahnen und definieren. Wie fühlt sich Stadt an? Der Atem wird schneller, die Bewegungen kantiger, der Bass härter, die Klänge lauter. «Please take your chair and put it into the middle». Die Zuschauer versammeln sich zögerlich in der Mitte. Was geschieht nun? Die Asphalt Piloten (bestehend aus der Bieler Choreografin und Tänzerin Anna Anderegg sowie ihrer Truppe, mit der sie schon durch fast ganz Europa tourte) bauen eine Mauer, kreisen uns ein, bis wir nur noch Wand sehen, Beengung fühlen, gefangen sind. Die Dunkelheit weicht einem sanften Lichtstrahl. Wir sind der Mittelpunkt. Sie rennen um uns herum. Aufstehen und rausschauen ist nicht erlaubt. Köpfe sind zu sehen, Arme, Beine. Sie laufen, rennen, um die Mauer, im Kreis und im Kreis und im Kreis. Propellerlärm, es klingt plötzlich wie Krieg, die Decke senkt sich. Vielen mag nun die Südpolbühne grossartig erscheinen, Leute mit Platzangst dürften sie hassen. Doch dann: Kurz bevor die Decke zum Deckel wird, hält sie in der Bewegung inne. Stille. Was bleibt ist ein freies Stück zwischen Mauer und Decke. Ein Zwischenraum. Ein Blick in die Freiheit oder den Himmel vielleicht.

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Die erste inhaltliche Koproduktion von Kleintheater und Südpol war eine kurzweilige Reise ins Nirgendwo. «Das Kleintheater hat den Vorschlag gebracht, wir haben den Ort zur Verfügung gestellt», erklärt Patrick Müller, künstlerischer Leiter des Südpols, die Zusammenarbeit. Die Künstler haben das Stück in vier Residenzen erarbeitet, die letzten vier Wochen im Südpol. Entstanden ist ein interdisziplinäres Stück, das verschiedene Kunstrichtungen zusammenfliessen und die Zuschauer Bestandteil werden lässt. «Ein Theater ohne Bühne macht das Publikum mündig und durch die Wahl der Perspektive wertet es seine Selbstständigkeit auf», findet Müller. So lässt die abstrakte Stadt der Asphalt Piloten einen zeitlich geschlossenen Ort entstehen und anfängliche Irritation wird in Beteiligung transformiert, die in jedem Besucher nachwirkt.