«Zange, Zahn, Kralle» – aber keine Kratzer

Akku, 22.01.2016: Die Kunstplattform akku in Emmenbrücke zeigt eine Schau von Siebdrucken der 1980 im Aargauischen geborenen Künstlerin Tatjana Erpen. Im Kabinett hängen Blumenaquarelle von der um drei Generationen älteren Luzernerin Lou Stengele (1898-1993).

Gefundenes auf Spanplatten gedruckt Dreiunddreissig Siebdrucke bespielen die Halle im ehemaligen Viscose-Speditionsgebäude. Einige hat Tatjana Erpen, die in Luzern eine Siebdruckwerkstatt betreibt, auf Papier, die meisten auf Spanplatte gedruckt. Diese ist gräulich grundiert oder unbehandelt, so dass die Druckfarbe nicht vollständig deckt und sich Holz- und Bildoberfläche mischen. Alle Werke sind einfarbig gedruckt, in Schwarz oder Grau, und weichen nur manchmal in ein verhaltenes Bordeauxrot oder Olivgrün ab. Die Motive findet die Künstlerin meist im Internet oder in Büchern, zum Teil sind die Druckvorlagen auch selbst fotografiert. So etwa die Tierartefakte im Bild Zange, Zahn, Kralle, das der Ausstellung den Titel geliehen hat. Viele Bilder sind aus mehreren Drucken zusammengesetzt – das grösste, extra für die Ausstellung konzipierte Werk im Wald besteht sogar aus 16 Blättern, die direkt auf die Wand gekleistert sind.

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Wohin führt die Spurensuche? Tatjana Erpen beschreibt ihre Arbeit als Spurensuche, als eine Art «kulturelle Archäologie». Allerdings führt diese Suche zumindest mich als Betrachterin nirgendwohin: Ganz im Gegenteil zur archäologischen Praxis kommt es nicht zu Tiefengrabungen, zu keinen der im Ausstellungstext versprochenen «neuen Botschaften», die gehoben werden. Die Suche scheint vielmehr auf der Bildoberfläche zu versanden, ohne die Spuren kritisch zu deuten: Retrolook statt Retrospektion.

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Auch die beschreibenden Werktitel lassen eine intuitiv-assoziative Suche nicht aufkommen, nehmen sie doch den Reiz, nämlich die Bestimmung des abgebildeten Objekts, vorweg. Interessant sind dagegen Widersprüche, wie sie sich im Bild Grimsel, Passhöhe ergeben: Der Schnappschuss wirkt inszeniert und wurde als einziges Werk in der Ausstellung nachträglich von Hand koloriert, obwohl die Siebdrucktechnik zu mehrfarbigen Drucken geradezu auffordert.

Kabinett: Stängel der Stengele Einen klugen Kontrast zu den Siebdrucken hat die neue akku-Kuratorin, Lena Friedli, im Kabinett eingerichtet. Dort hängen dreizehn Aquarelle der weitgehend unbekannt gebliebenen Künstlerin Lou Stengele. Akkurat hat sie Stängel, Blätter, Früchte und Blüten gemalt. Die Bilder von einheimischen Pflanzen wie Stachelbeere oder Quitte sind Leihgaben der Gemeinde Emmen und hier erstmalig in der Öffentlichkeit zu sehen. Diese kleinen Arbeiten, die abseits des Kunstbetriebs entstanden sind, bilden im Kabinett gewissermassen eine kleine Gegenwelt zur Schau im grossen Saal. Letztere lässt, obwohl mit «Zange, Zahn, Kralle» ja wehrhaft bestückt, leider keine tiefergehenden Kratzer in der Retina zurück.

Die Ausstellung «Zange, Zahn, Kralle» läuft noch bis am 06. März in der Kunstplattform akku in Emmenbrücke. Öffnungszeiten: Mittwoch-Samstag 14-17 h und Sonntag 10-17 h. Eintritt: 8 CHF regulär, 6 CHF reduziert. Veranstaltungen: «Enthüllen und verbergen», Donnerstag, 18. Februar 2016, 18 Uhr, mit Tatjana Erpen, Aurel Jörg, Kulturanalytiker und freier Mitarbeiter Radio SRF 2, und Lena Friedli auf Spurensuche in der Ausstellung Öffentliche Führungen mit Lena Friedli am Donnerstag, 28. Januar um 18 Uhr, und am Sonntag, 06. März um 11 Uhr