Wolke, Eisbahn, Spartachori

Kleintheater, 22.09.2015: Anlässlich der Reihe DI_Jazz stattete eine der spannendsten Schweizer Bands dem Luzerner Musikleben wieder einmal einen Besuch ab. Und soviel sei bereits verraten: Es war der bisher grossartigste Auftritt vom Trio Heinz Herbert. Free Jazz meets Electro meets Rock meets Avantgarde.

Ihre Stücke tragen kuriose Namen wie «Rigobert Song», «Problem im Spartachori», «Heinz Steps» oder «Bruguda», und ebenso kurios-kolossal klingen sie auch. Was in den Köpfen von Ramon (synth, hammond) & Dominic Landolt (g) sowie Mario Hänni (dr) vorgeht, weiss wohl niemand ausser diesen drei Musikern, aber so viel ist klar: Sie gehören zur Speerspitze einer avantgardistischen Szene, die mit ihrer Musik so unglaublich spannend wie genial Attitüde, Genialität und Aufregung vermittelt. Dieser Eindruck bestätigte das sensationelle Konzert im Kleintheater wie kein zweites bisher. Hammond-Orgel und Midi-Keyboard, kombiniert mit (teils selbstgebauten) Synthies, Fender Jazzmaster + ein dickes Pedalboard und Schlagzeug mal unzählige Utensilien (u.a. ein Schwingbesen) lautet die Formel Herbert. Was mit dieser Vielfalt an Klangerzeugern gestaltet wird, sprengt den Rahmen.

TrioHeinzHerbertKleintheater

Im Prinzip hat das Trio Heinz Herbert eine faszinierende Mischung aus Free Jazz, Noise Rock und Elektronischer Musik gefunden. «Eisbahn» könnte ohne Weiteres im Technotempel Berghain vorgetragen werden. Hännis Grooves verleihen dem Sound eine verführerische Note und sprechen dabei von seinem intensiven Engagement bei verschiedenen Gruppen wie beispielsweise Pablo Nouvelle – nur schon die Discobeats hat vermutlich noch kein Drummer so intelligent und druckvoll wie er  kreiert. Wenn die Landolt-Brüder hierzu sphärische Flächen, kantige Grooves oder wildes Geshredder beisteuern, ergibt dieser Mix intensive, einnehmende Klangfarben. Gerne schliesst man hierbei die Augen, lässt sich von «Gerbiculus Starwatcher» auf eine Reise mitnehmen oder flasht im «Herbst» auf der Herbert’schen «Wolke» herum – so wie das Kleintheater an diesem Abend. Während das erste Set eine melodischere Note in sich trug, erschien das zweite freier, aber nicht minder interessant. Gerade die mantraartigen Parts des letzten Songs demonstrierten eine eindrucksvolle Richtung, in die sich das Trio bewegt. Da wird mit komplizierten, sich ausbauenden Grooves ein kraftvoller Sog erzielt, der in Megaphon- mal Gitarren-Sequenzen kumuliert. Was für eine Wucht! Ebenso toll die Zugabe: Ca. 30 Sekunden jongliert Hänni eine goldene Kugel auf einem Tamburin, inklusive Akzentuierung. Akrobatik! Applaus! [youtube 2JL12IDWrRg nolink] Der Sound der drei in Zürich wohnhaften Musiker spricht gerade auch für eine jüngere Generation – das ist Jazz, aber grenzübergreifend zu Minimal, Noise, Rock, Electro; dementsprechend gemischt war das Publikum. Es ist den Kuratoren Marc Unternährer und Sebastian Strinning hoch anzurechnen, dass sie diese tolle Truppe im Rahmen ihrer Reihe Dienstags_Jazz den September-Slot angeboten haben. Ein Luzerner Musikveranstalter fragte sich gar, wieso das Trio Heinz Herbert noch nicht am Jazzfestival Willisau gespielt habe. Vermutlich, weil «Die Reise des Gerbiculus Starwatchers» noch lange nicht zu Ende ist. Und der «Heinz Hebert Kosmos» noch grandioser werden wird.

Nächstes Konzert der Reihe Dienstag_Jazz: Bänz Oester & The Rainmakers am 27. Oktober, 20 Uhr. Auf keinen Fall verpassen!