Wohnen mit Picasso

Der kanadische Kunstsammler Robert Landau wohnt zwischen Statuen und Gemälden. Aus dem Dreilindenpark will er einen Skulpturenpark machen und dabei Werke aus seiner privaten Sammlung präsentieren. Eine Beschwichtigungsstrategie für die Öffentlichkeit?

Geht es nach dem kanadischen Kunsthändler Robert Landau, sollen im Dreilindenpark, im grössten öffentlichen Park in Luzern, bald neue Skulpturen aus seiner persönlichen Sammlung stehen. Seit zwölf Jahren lebt der 82-Jährige in Meggen. Er besitzt der Luzerner Zeitung zufolge Werke von Pablo Picasso, Alberto Giacometti, Jean Dubuffet, Fernand Léger und Henry Moore.

Laut dem Schweizer Wirtschaftsmagazin Bilanz gehört der Unternehmer, der über ein Apartment im 46. Stock des Trump Tower in New York und über Anwesen auf der Insel Bermuda im Nordatlantik verfügt, zu den reichsten Personen in der Innerschweiz. Sein Vermögen wird auf 700 bis 800 Millionen Franken geschätzt

Hängiges Gerichtsverfahren

Bis anhin ist der Hauptsitz seiner Galerie Finartis in Meggen gemeldet. 2019 gab Landau gegenüber dem internationalen Kunstmagazin The Art Newspaper bekannt, dass er mit der Stadt Luzern einen 40-jährigen Pachtvertrag für den 35 000 Quadratmeter grossen Park und die Villa Vicovaro, das ehemalige Konservatorium im Dreilindenpark, geschlossen habe. Dorthin will er dieses Jahr den Hauptsitz seiner Galerie verlegen. Geplant sei, die Liegenschaften für öffentliche Ausstellungen freizugeben und einen privaten Freihafen – ein abgeschlossenes Lager, in dem Waren zwischengelagert werden, die weder verzollt noch versteuert wurden – zu installieren.

Gegenüber The Art Newspaper gab Robert Landau damals an, dass das Gelände in einen Skulpturenpark umgewandelt werden soll, der öffentlich zugänglich sein wird. Wegen einer Einsprache gegen die Umzonung des Gebiets zweier Nachbarn ist das Projekt nun vor dem Kantonsgericht hängig. 

Die beiden Anwohner Felix Sulzberger, der bis 2016 als CEO des internationalen Wäscheunternehmens Calida amtierte, und Bruno Amberg von der Immobilienfirma Transterra befürchten einen eingeschränkten Zugang zum Park, da die Sicherheitsmassnahmen erhöht werden sollen. Im Januar 2022 betonten sie gegenüber der Luzerner Zeitung ihre Befürchtung bezüglich einer Halbprivatisierung des Parks. Ebenfalls Anfang Januar 2022 wurde ihre Beschwerde vom Luzerner Regierungsrat abgewiesen. Sulzberger und Amberg zogen sie jedoch ans Kantonsgericht weiter. 

Auch der Quartierverein Wesemlin-Dreilinden steht dem Projekt skeptisch gegenüber und verlangt ein Mitspracherecht bei der Ausarbeitung des Skulpturenparks, wie die Luzerner Zeitung im Mai 2022 schrieb. Nach langer Funkstille zwischen dem Verein, Robert Landau und der Stadt Luzern ist mittlerweile durchgesickert, dass Landau bloss die drei Gebäude im Park, nicht aber das gesamte Parkgelände miete, wie der Quartierverein an seiner Generalversammlung im Mai kundgab.
 

Wohnen mit der Kunst

Auf Nachfrage bei Robert Landau, wie dieser die momentane Entwicklung rund um den Dreilindenpark einordne, erhält 041 – Das Kulturmagazin eine Antwort per E-Mail: «Die Sache steht vor den Schweizer Gerichten zwischen der Stadt Luzern, Felix Sulzberger und Bruno Amberg. Ich bleibe diesem Dossier zutiefst verpflichtet und hoffe, dass es eines Tages Wirklichkeit werden wird.»

Im März 2021 gab der Kanadier in einem Interview mit der Luzerner Zeitung an, jeweils zwischen Juni und Oktober fünf bis zehn Skulpturen im Park platzieren zu wollen. Diese Werke, die laut Landau noch nie jemand in Luzern gesehen habe, würden einerseits aus Leihgaben, andererseits aus seiner persönlichen Sammlung stammen.

Um welche konkreten Werke es sich handelt, wenn Landau von seiner persönlichen Sammlung spricht, darüber gibt es wenige Informationen. Die Webseite seiner 1987 eröffneten Familien-Galerie Landau Fine Art gibt lediglich an, dass es sich um «viele historische und einflussreiche Kunstwerke führender Künstler des 20. Jahrhunderts» handle – vor allem in den Stilrichtungen Kubismus, Post-Impressionismus, Fauvismus, Futurismus und Künstler des 20. Jahrhunderts» handle – vor allem in den Stilrichtungen Kubismus, Post-Impressionismus, Fauvismus, Futurismus und Expressionismus.

 

 

«Wir werden es vermissen, das Gemälde nicht zu Hause zu haben. Doch wir haben die Verantwortung, seine Bedeutung mit anderen zu teilen.»

 

Gegenüber 041 – Das Kulturmagazin schreibt Landau: «Wir diskutieren oder veröffentlichen die Details unserer privaten Kunstsammlung nicht.» Einen kleinen Einblick gibt er auf Nachfrage dennoch: «Landau Fine Art leiht dieses Jahr ein grosses Fauve-Gemälde an das Van Gogh Museum in Amsterdam aus und dann ans Belvedere in Wien. Wir werden es vermissen, das Gemälde nicht zu Hause zu haben. Doch wir haben die Verantwortung, seine Bedeutung mit anderen zu teilen.»

Wie sich das anfühlt, mit und neben Kunstwerken zu leben? «Da wir an diese Erfahrung so gewöhnt sind, neigen wir dazu, den Luxus mehr oder weniger als selbstverständlich zu betrachten», antwortet Landau und ergänzt: «So wie wir unsere prachtvollen Orientteppiche fast gedankenlos betreten, bilden die Gemälde und Skulpturen einen vertrauten Teil unseres Lebensraums.» Sie seien Teil der Familie, ihres Lebensstils und ihrer Freude. Nie würden sie ein Kunstwerk mit nach Hause bringen, mit dem sie nicht lange leben wollten. 

«An den Wert und die Seltenheit dieser vielen Schätze werden wir eigentlich nur erinnert, wenn wir Gäste in unsere privaten Räume einladen», meint Landau.
 

Kaum regulierter Markt 

Wie ist es möglich, dass Einzelpersonen in den Besitz derart vieler «Schätze» gelangen, ohne dass die Öffentlichkeit weiss, um welche Werke es sich handelt? Die Juristin und Expertin für Finanzmarktrecht Monika Roth hat 2020 dazu das Buch «Kunst und Geld – Geld und Kunst. Schattenseiten und Grauzonen des Kunstmarkts» verfasst. 

Auf Anfrage schreibt Roth: «Im Gegensatz zum Finanzmarkt ist der Kunstmarkt im Wesentlichen unreguliert.» Das heisst: Kein Staat, der Preise festsetzt, ausgegebene Gelder oder die gekauften Werke nachverfolgt, zu viele Freilager, wo Kunst unverzollt, verdeckt und unversteuert gelagert werden kann.

Ein Beispiel für die fehlende Regulierung ist die Hamilton-Aphrodite, eine antike römische Marmorskulptur, die bei einer Kunstauktion in London im Dezember 2021 für beinahe 25 Millionen US-Dollar verkauft wurde. Eine Zahl, die neunmal höher ist als der Schätzpreis der Statue.

In ihrem Buch beschreibt Monika Roth unter anderem, wie einige reiche Akteur:innen die unregulierten Verhältnisse auf dem Kunstmarkt nutzen, um mit überliquiden Mitteln die Preise in die Höhe zu treiben. Stellt der Kunstmarkt für die einen die Möglichkeit dar, ohne objektive Preise Geld zu waschen – zum Beispiel, indem Kunstsammlungen über Briefkastenfirmen oder in Zollfreilagern gehalten und so die Besitzverhältnisse verschleiert werden –, so dient der Kauf von Kunstwerken anderen als Anlagezweck.

Die Schweiz sei ein bedeutender Kunsthandelsplatz, so Roth. Unter anderem wegen ihrer Rechtssicherheit, des Zollfreilagers Genf und auch der Art Basel würde sie sehr geschätzt.

In den letzten Jahren sei es insbesondere für kleinere Galerien schwieriger geworden: «Der Schweizer Kunstmarkt ist ein Teil des internationalen Marktes und er wird von den gleichen Entwicklungen geprägt: Reiche Kund:innen, die alle das Gleiche suchen und wollen (weil die Berater:innen das Gleiche gut finden).»

Ausserdem seien die Mittel der Privaten nahezu unermesslich. Dies äussere sich nicht nur im Bau von Museen, meint Roth. Sie würden den Markt in dem Sinne übernehmen, als dass sie den Diskurs über Kunst «produzieren». Dies geschehe zusammen mit den ganz grossen Galerien. Öffentliche Institutionen seien oft abhängig von privaten Sammler:innen.

Dass dies auch auf Luzern zutrifft, kann vermutet werden. Alexandra Blättler vom Kunstmuseum Luzern, das zum grössten Teil mit öffentlichen Geldern finanziert wird, gibt auf Nachfrage an: «Es ist immer ein Thema, dass wir auf Hilfe von aussen angewiesen sind, da unser Ankaufsbudget klein ist. Das heisst, dass wir schauen müssen, wie wir eine interessante Zusammenarbeit mit Stiftungen, anderen Institutionen und privaten Sammler:innen eingehen können, ohne eine Abhängigkeit zu entwickeln. Sammler:innen bieten uns Werke als Dauerleihgabe an. Aber nicht nur, es kommt auch immer wieder zu Schenkungen.» Werke aus der Sammlung von Robert Landau seien jedoch nie darunter gewesen, so Blättler.
 

Den eigenen Stempel aufdrücken

Wie er in den Besitz all seiner Werke gekommen ist, darüber will Landau nicht sprechen. Auf die allgemeine Frage, wie Privatsammler:innen in den Besitz einer grossen Anzahl von Kunstwerken kommen können, antwortet er: «Erbschaft ist ein guter Anfang, wenn Sie Glück haben. Es gibt jedoch nichts Schöneres, als eine eigene Kunstsammlung aufzubauen und dem, was Ihnen gefällt, Ihren eigenen Stempel aufzudrücken.»

Man dürfe nicht vergessen, so Landau, dass das Sammeln nur einen Anfang und nie ein Ende habe und es nicht weltbewegend sein müsse, was die Anschaffungskosten betreffe. 

Dass die Schweiz und Luzern dafür beste Voraussetzungen bieten, beteuert auch er: «Die Schweiz hat eine beeindruckende Position in der internationalen Kunstwelt und verfügt über viele grossartige Museen und Privatsammlungen – ganz zu schweigen von dem riesigen Bestand an Meisterwerken, der in Freihäfen verborgen ist.» 

Die Identität der vielen Kund:innen hierzulande bleibe ein streng gehütetes Geheimnis, meint Landau und unterstreicht damit die Attraktivität eines Marktes, der noch immer kaum reguliert ist.

 


041 – Das Kulturmagazin Juli/August 07+08/2022

Text: Jonas Frey
Bild: Pawl Streit

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