Wo das Lachen alle schüttelt

Unser Autor Christof Schwenkel lässt sich ohne Kind auf das Figurentheater Luzern ein. Er stellt fest: Küsse, Fürze und ein Schimpfwörteralphabet sorgen für Emotionen. Spass haben dabei nicht nur die Kinder.

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Samstag, 15 Uhr in Luzern. Wer keine Kinder hat, geht dann eher nicht ins Figurentheater. Ich mache es trotzdem. Zu Recherchezwecken. Gezeigt wird «Konrad, das Kind aus der Konservenbüchse». Das Stück ist für Kinder ab fünf Jahren empfohlen, die Vorlage von 1975 ist mir bekannt. Ein sanftes Herantasten an Kultur für Kinder ist das sozusagen. Für den Einstieg wäre ein Andrew-Bond-Musical («Bastlonaut Basil und das grosse Glück») dann doch zu krass gewesen. Kurz vor Vorstellungsbeginn füllt sich das Theaterfoyer an der Industriestrasse. Handschuhe und Jacken werden verstaut, letzte Dar-Vidas gegessen und eine gute Position für den Einlass – die Platzwahl ist frei – gesichert. Famos übrigens ist die Sammlung alter Puppenköpfe im Eingangsbereich. Schrumpfkopfig künden Hexen und Prinzessinnen von einer Zeit, in der die Zahl der Charaktere im Puppentheater noch begrenzt war.

Kinder vorne und Erwachsene hinten, so die Sitzordnung. Das Stück wird mit einfachen Figuren aus gelbem Schaumstoff in Szene gesetzt. Die technische Umsetzung hat nur wenig mit der traditionellen «Hand-im-Po-Methode» zu tun; die beiden Puppenspielerinnen Jacqueline Surer und Sibylle Grüter sind selbst Teil des Geschehens. Die Vorführung nimmt schnell Fahrt auf, und die jungen Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgen aufmerksam die Geschichte von Konrad, dem perfekten Kind aus der Fabrik. Was im Figurentheater mit Christine Nöstlingers Vorlage gemacht wird, ist kurzweilig, manchmal albern, aber nie kindisch.

Wer schaut sich an diesem Samstag sonst noch den «Konrad» an? Bei den volljährigen Anwesenden lassen sich drei Gruppen unterscheiden: erstens die Eltern, die sich auf eine Stunde im Halbdunkeln ohne Betreuungsmandat freuen. Und sich als treue Besucherinnen des Figurentheaters zu erkennen geben. Manche Kinder drehen verwundert den Kopf, wenn hinten wieder besonders laut gelacht wird. Zweitens die Göttis und Grosseltern. Sie möchten den gemeinsam verbrachten Halbtag zum Erlebnis machen. Für die mitgebrachten Kinder bedeutet dies, dass vor und nach dem Stück viele Fragen beantwortet werden müssen. Die Gesprächsführung liegt aufseiten der Erwachsenen. Die dritte Gruppe bilden ein paar vereinzelte Teilzeitväter, die allein mit einem Kind gekommen sind. Abgebrüht sitzen sie ganz hinten im Theater. Und verbergen geschickt ihre Freude darüber, heute wieder ein so sinnvolles Programm auf die Beine gestellt zu haben. Eines, das sogar die Kindsmutter goutieren muss. Nach etwa einer halben Stunde wird es warm in der ausverkauften Vorstellung. So fasst auch einer der jungen Besucher den Plan, seinen Pullover auszuziehen. Da ihm dies ohne elterliche Unterstützung nicht recht gelingen will, verbleibt der Theaterbesuch für ihn eine Weile lang ein rein akustisches Erlebnis. Das Stück wird übrigens auf Mundart gespielt. Hochdeutsch sprechen wieder einmal nur die Bösen: unangenehme Lehrer und die Kapitalisten aus der Kinderfabrik.

Aufregende Fürze und Küsse

Das Finale ist dann eindrücklich. Die Verwandlung Konrads vom Musterknaben in ein normales Kind manifestiert sich im Crescendo eines Schimpfwörteralphabets. Unter dem Buchstaben F wie Furzkanone wird der Schaumstoff-Konrad entsprechend geformt und lautmalerisch unterlegt. Nicht mehr alle Zuschauer hält es da noch auf ihren Plätzen. Auch als zwei der Protagonisten einen Kuss andeuten, muss eine junge Theaterbesucherin ihren Emotionen freien Lauf lassen: «Küssen, Küssen, Küssen, Küssen!», ruft sie mit lauter Stimme durch den Zuschauerraum. Nach 50 Minuten endet das Spektakel und es geht hinaus in den noch hellen Winternachmittag. Fazit meiner Recherche: Das Figurentheater vermag mit einfachen Mitteln bestens zu unterhalten. Und schön, dass es so zeitlose Geschichten wie die vom «Konrad» gibt, die keine Unterteilung in Kinder- und Erwachsenenwitze nötig haben.