«Wir wollen keine Sesselkleber»

Das junge Luzerner Musiknetzwerk Other Music Luzern (OML) hat erstmals eine Geschäftsstelle: Céline-Giulia «Cégiu» Voser und Stoph Ruckli teilen sich die 60-Prozent-Stelle. Im Interview verraten sie, wie die Musiklobby im Jahr drei ihres Bestehens abheben will.

Titelfoto: Christian Felber

Dieses Interview erschien in unserer Märzausgabe. Hier 041 – Das Kulturmagazin abonnieren!

Wie geht’s euch im Kultur-Lockdown?

Cégiu: Ich nutze die Pause für Sachen, für die sonst zu wenig Zeit ist. Auch mit OML haben wir genug zu tun und unterstützen die Musikschaffenden so gut es geht.

Stoph: Es ist eine schlimme Zeit für alle, trotzdem sehen wir auch Chancen. Wir arbeiten an Strategien und bereiten Bands auf die Zeit nach Corona vor. Ich bin überzeugt, dass danach eine neue Ära des Musikschaffens beginnt.

Mit euch hat OML neu eine Geschäftsstelle. Wieso erst nach zwei Jahren?

Stoph: Wir haben die Zeit gebraucht, um OML aufzubauen, zu definieren und zum Funktionieren zu bringen. Mit der strategischen Arbeit sind wir jetzt an einem soliden Punkt.

«Wir konnten unseren Leistungsauftrag aufgrund von Corona nicht sauber erfüllen und müssen definitiv mehr in die Vernetzungsarbeit investieren.»

Stoph Ruckli, Co-Geschäftsleiter OML

Cégiu: Wir wollten anfangs möglichst agil bleiben und nicht gleich die strategische Arbeit durch Strukturen festsetzen. Ursprünglich planten wir, die Geschäftsstelle nach eineinhalb Jahren aufzugleisen. Wegen Corona hat sie sich noch etwas verzögert, weil wir die Ressourcen für anderes brauchten.

Was darf man im Jahr drei von OML – mit neuer Geschäftsstelle und erneuertem Vorstand – erwarten?

Stoph: Wir wissen seit Anfang Februar, dass wir die Pilotphase um ein Jahr bis Ende 2022 verlängern können. Wir konnten unseren Leistungsauftrag aufgrund von Corona nicht sauber erfüllen und müssen definitiv mehr in die Vernetzungsarbeit investieren. Letztlich wollen wir Luzerner Musik pushen und ihr Perspektiven bieten, damit sie über die Grenzen hinauskommt. Dazu wollen wir die Akteurinnen und Akteure noch stärker miteinander in Verbindung bringen. Wir werden mit Fokus auf die selektive Kulturförderung auch vermehrt auf Talentsuche gehen: Welches sind die Preisträgerinnen und -träger in spe?

«Leute bauen etwas auf und machen ab dem richtigen Zeitpunkt wieder Platz – ich finde diese Einstellung im Sinne der Nachhaltigkeit wichtig.»

Stoph Ruckli, Co-Geschäftsleiter OML

Cégiu: Ich bin sehr froh, haben wir mit der Verlängerung die nötige Sicherheit. Weil viele Vernetzungsmöglichkeiten im 2020 und 2021 ausfielen, brauchen wir mehr Zeit. Wir werden auch die Network- und Coaching-Anlässe Co-OML-Space weiterführen.

Vom Gründungsvorstand ist niemand mehr dabei ausser ihr beide, und Initiant Marcel Bieri hört im März auf. Ist so viel Bewegung für einen jungen Verein gut?

Cégiu: Wir wollen keine Sesselkleber, sondern frisch und nah an der Szene bleiben. Darum ist es gut, wenn neue, gerne auch junge Leute ihre Ideen einbringen. Zudem sind jene, die austreten, nicht weg, sondern bleiben als Mitglied, im Beirat oder Netzwerk weiter dabei.

Stoph: Leute bauen etwas auf und machen ab dem richtigen Zeitpunkt wieder Platz – ich finde diese Einstellung im Sinne der Nachhaltigkeit wichtig. Bei Marcel war schon im Vorfeld klar, dass er sich während der Pilotphase wieder zurückziehen will. Cégiu und ich sorgen nun für die weitere Konstanz, zusammen mit dem aktuellen Vorstand. Diesen erweitern wir zudem mit neuen Kräften.

«Wir müssen zuerst die einzelnen Akteure und Akteurinnen der Szene innerhalb vernetzen und die richtigen Leute zusammenbringen.»

Céline-Giulia Voser, Co-Geschäftsleiterin OML

Wie wollt ihr die Existenz von OML über die Pilotphase hinaus sichern?

Stoph: Im Netzwerk der nationalen und internationalen Musikszene mit all den Labels, Managements und Bookings sehe ich für OML ein grosses Potenzial. Wir sind nah dran, viel unterwegs und vernetzen die Luzerner Musikszene mit anderen Playern. Corona hat zudem deutlich gemacht, wie wichtig auch Businessgedanken und der Geschäftssinn sind. Gewisse Musikschaffende wurden von der Krise ordentlich durchgerüttelt. Bei uns können sie sich individuell beraten lassen: selektiv Geförderte unbegrenzt und Mitglieder eine Stunde direkt, alle anderen im Co-OML-Space. Zudem haben wir im Vorstand, Netzwerk und Beirat extrem viel Know-how, das man anzapfen kann.

 

 

Ihr seid vor allem mit Newsletter, Social Media und Netzwerk- Anlässen aufgefallen: Ist OML öffentlich präsent genug?

Stoph: Unser Fokus liegt auf dem Hauptauftrag, darum müssen 60 bis 70 Prozent der Ressourcen in die Vernetzung fliessen. Für den Rest sind wir frei und da gehen die Meinungen natürlich auseinander. Wir wollen den Musikwerkplatz nach aussen tragen und vermitteln, was hier alles passiert.

«Wir können nicht alle einzeln an der Hand nehmen.»

Céline-Giulia Voser, Co-Geschäftsleiterin OML

Cégiu: Wir müssen zuerst die einzelnen Akteure und Akteurinnen der Szene innerhalb vernetzen und die richtigen Leute zusammenbringen. Daneben geht’s um die Sichtbarmachung beim Publikum.

Kam die Sichtbarmachung bisher zu kurz?

Cégiu: Das würde ich nicht sagen, wir sind regional und national sehr präsent. Wir haben eine grosse Reichweite und soweit es unsere Ressourcen ermöglichen, ist es nach Plan verlaufen.

Es besteht dabei die Gefahr, dass man sich innerhalb der Bubble bewegt. Erreicht ihr die ganze Breite von Musikschaffenden?

Stoph: Ich habe bisher keine solchen Rückmeldungen bekommen. Wir setzen uns für das aktuelle Musikschaffen ein und nehmen unseren Auftrag möglichst breit wahr. Wenn wir jemanden vernachlässigen, sind wir immer offen für Feedback. Musikschaffende müssen aber auch selber aktiv werden und den Kontakt suchen, sie wollen ja rauskommen und gepusht werden. Wir sind eine offene Community und unterstützen gern. Aber wir sind darauf angewiesen, dass sich Leute melden.

Cégiu: Wir sind im Vorstand und Beirat möglichst breit und divers aufgestellt, mit Leuten aus verschiedenen Szenen und mit unterschiedlichen Backgrounds. Aber wir können nicht alle einzeln an der Hand nehmen.

Zum Schluss: Wo harzt es aus eurer Sicht in der Luzerner Musikszene?

Stoph: Ich fänd’s lässig, wenn das Bewusstsein für einen gewissen Geschäftssinn und der Wille zur Partizipation wachsen. Musikschaffende sollen sich austauschen, sich informieren und nicht nur im Proberaum verbuddeln. Daran arbeiten wir – auf Augenhöhe und fern von Konkurrenzdenken. Ich habe beispielsweise an der Jazzschule viele Leute erlebt, die nie Konzerte oder Vernetzungsanlässe wie das m4music-Festival besuchen. Dabei ist das essenziell und macht auch noch Spass.

Cégiu: Ich sehe das ähnlich. Es ist extrem wichtig, dass wir Synergien stärker nutzen auf dem Werkplatz. Ich wünsche mir, dass die Akteurinnen und Akteure neugierig bleiben und Musikschaffen tatsächlich als Beruf anschauen, mit dem sie ihr Geld verdienen.

Co-OML-Space
MI, 7. April, ab 18 Uhr
Wird bekannt gegeben

Transparenznotiz:
Stoph Ruckli war bis Ende 2020 verantwortlich für unseren Kulturkalender. Dieses Interview ist erst danach konzipiert und in Auftrag gegeben worden.