Wieselnde Bässe und ein Butcher

Mullbau, 12.02.2014: Der Mullbau hat einmal mehr Anschauungsunterricht für die hohe Kunst der Improvisation geboten. Das Zürcher Kontrabass-Duo Daniel Studer und Peter K Frey lud mit dem englischen Saxophonisten John Butcher ein stilles Schwergewicht zur Auseinandersetzung.

Die Art, wie John Butcher im Raum steht und sein Saxophon spielt, hat etwas Unerschütterliches. Der ausgebildete Physiker, der 1982 den akademischen Betrieb verliess, um sich der Physik der Sounds zu verschreiben, arbeitet hochkonzentriert an seinen Saxophonen. Er moduliert die Luftströme in Zirkularatmung und generiert Klänge von einer ausserordentlichen Dichte. Sie haben eine metallische Qualität mit glatten und porösen Oberflächen. Dennoch können sie funkeln wie Diamante. Dieser John Butcher, der zu den Schwergewichten der europäischen Impro-Szene gehört, fand seinen Weg in den Mullbau dank einem Kontrabass-Duo, das es faustdick hinter den Ohren hat. Die Zürcher Daniel Studer und Peter K Frey  spielen seit 15 Jahren in sturer, erhabener Regelmässigkeit zusammen – egal, ob sie Gigs haben oder nicht.  Ihr 15-Jahr-Jubiläum begehen sie mit einer Serie von 15 Konzerten in der ganzen Schweiz, zu denen sie verschiedene Gäste einladen.  In Genf, Basel, Zürich und Luzern ist/war John Butcher mit von der Partie.

Studer und Frey haben sich links und rechts von Butcher positioniert. Die drei steigen sofort ein in den anfangs- und endlosen Fluss des Klangs. Studer und Frey legen eine Matrix aus flirrenden Noises, Butcher verfolgt seine eigene Furt von Artikulationen. Schnell beginnen sich die Partikel und Linien zu verzahnen, wachsen Verbindungen, entstehen Räume, ändern Winkel, verschieben sich akustische Wahrnehmungen. Man spürt die Erfahrung der drei Protagonisten: Es wird offenbar, dass es nicht um das Suchen möglicher Konstrukte geht, sondern der Moment jederzeit entdeckt wird. Wenn es eines Beweises bedürfte, dass stetiges Üben und Dranbleiben Früchte trägt, dann sind Studer-Frey ein Paradebeispiel. Wie traumwandlerisch auf Draht und jederzeit offen die beiden interagieren – auch mit dem Dritten im Bunde, war eindrücklich mitzuverfolgen. Mit Fingern, Bogen, kleinen Stöcken und Handflächen entlocken sie ihren massiven Instrumenten die unglaublichsten Klänge und Zusammenklänge, erschaffen dichte Impro-Kompositionen, brechen auf in ruppige Fahrten oder expandieren ihre wache Geräuschkultur bis in die äussersten Bezirke der Stille, wo es nur noch wunderbar und jenseitig ist. John Butcher, der Fels in der Brandung, hat mit seinen fokussierten Sounds und Melodiesträngen die beiden wieselflinken Saitenflitzer und potentiellen Alleskönner herausgefordert. Das Resultat waren zwei Sets, die beide in ihrer Stringenz und dynamischen Entfaltung recht unterschiedlich waren, aber auf einem Niveau, wie es in den herkömmlichen ad-hoc Improvisation-Settings nur selten erreicht wird.