Webers eigener Weg

Das neue, grossartige Album der Aargauer Gruppe Mnevis ist da. Anstatt dieses im Rahmen einer Rezension abzufeiern, setzen wir den Fokus jedoch lieber tiefer – und zwar auf den Schlagzeuger und Perkussionist Lukas «Luki» Weber: Der Beinwiler ist selbst in der Perkussionswelt mit all ihren exotischen Instrumenten ein Exot. Zeit, ihn vorzustellen!

Titelbild: Manuel Weber

«Ich muss nicht immer das Gefühl haben, etwas zu verpassen. Das Leben darf ruhig mal langweilig sein», sagt Luki Weber und lächelt. Der Perkussionist und Schlagzeuger strahlt eine ihm eigene Ruhe aus, als ob er neben Siddharta am Fluss sitzend soeben die Erleuchtung erlangt hätte.

Und das, obwohl Weber laut eigener Aussage zum ersten Mal direkt auf seine Person bezogen interviewt wird und deshalb nervös ist. Die Ruhe und die Metapher des unaufgeregt-konstant fliessenden Flusses: Beides zieht sich irgendwie durch die ganze Vita dieses Musikers. Ein Blick auf seine Laufbahn bringt Aufklärung.

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Bild: zvg

Der Weg von Weber wirkt im ersten Moment unspektakulär, besitzt in der Tiefe jedoch diverse Twists. So wuchs der gebürtige Aargauer in Beinwil am See aka «Böju» auf und gelangte nach ersten Stationen an Blockflöte und Klarinette zur Perkussion.

«Daheim habe ich immer auf allen möglichen Dingen rumgetrommelt und hörte nebst den klassischen Popsachen auch viel Worldmusik, weil da die Trommeln verquerer und vielseitiger waren», kommentiert Weber diese Phase und fährt fort:

«Erst später habe ich gemerkt, dass diese Instrumente unter den Begriff Perkussion fallen – und ich dafür eine Affinität besitze.»

So brachte er sich autodidaktisch das Spiel der Djembe bei, einer afrikanischen Trommel, und begann, Schlagzeug zu spielen.

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Zugleich lebte der heute 36-Jährige das «klassische» Leben eines Schweizer Jugendlichen in den 90ern: Er skatete viel und hängte mit seinen Kumpels im Bandraumkeller ab, wo ausgiebig gejammt wurde.

Jener Ort war ein zweites Zuhause, den auch Thomas Fehlmann und Mario Hänni regelmässig besuchten, beide später Mitmusiker von Weber, unter anderem bei Mnevis. «Im Bandraum spielte es für mich gar keine Rolle, ob ich Djembe, Kleinperkussion wie Rasseln und Shaker oder Schlagzeug spielte», erinnert sich Weber. «Mich interessierten einfach alle diese Instrumente.»

Erleuchtung im Kongaunterricht

Den Stellenwert seiner Funktion in den jeweiligen Formationen erkannte er erstmals im Kongaunterricht: «Da wurde mir bewusst, was eigentlich meine Rolle sein könnte in einer Band und dass es offiziell einen Unterschied zwischen Schlagzeug und Perkussion gibt.»

Ein Initialereignis, das Weber vollends den Ärmel reinzog: Fortan wurde geübt und Wissen eingesaugt, wo es nur möglich war.

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Eine Musikkarriere zog der Aargauer jedoch nicht in Betracht. Stattdessen absolvierte er eine Lehre zum Goldschmied. «Ich weiss noch, wie ich nach der ersten Arbeitswoche meinem Vater sagte: ‹Ist jetzt nicht so meins, aber ich zieh das einfach mal durch.›» Weber fährt fort: «Ich ging im Prinzip arbeiten, 9 bis 18.30 Uhr. Und danach in den Bandraum. Das Spielen war meine Freizeit, meine Leidenschaft, mein Ding.»

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Genau dieses Bandraum-Umfeld erwies sich als essenzieller Faktor für den weiteren Weg: Nachdem Böju-Buddy Hänni ­– inzwischen Webers WG-Mitbewohner in der musikfanatischen Russirein-WG – den Basler Jazzschul-Vorkurs besuchte, nahm der Perkussionist erstmals von so einem Studienangebot Kenntnis und begann, tiefer zu graben, Unterricht zu nehmen und noch mehr Stoff auszuchecken.

«Nach der abgeschlossenen Lehre arbeitete ich genau eine Woche auf dem Beruf», lacht Weber. Ein neuer Pfad führte ihn nämlich alsbald nach Luzern an die Jazzschule, wo er es mit einem Unikat zu tun bekam: Willy Kotoun.

Wenn du Musik machen willst, musst du diese Schule nicht absolvieren.

Kotoun gilt in der ganzen Schweiz als Koryphäe im Perkussionsbereich. Um den gebürtigen Berner ranken sich hierbei Legenden. Bekannt ist beispielsweise jene, dass er als talentierter Pianist nach Kuba gegangen ist, als Perkussionist zurückkehrte – und angeblich nie mehr einen Ton auf dem Klavier gespielt hat.

Auch Weber erlebte seine Stories: «Als ich Willy das erste Mal anrief, um mich über das Studium zu erkundigen, fragte er, ob ich Musiklehrer werden oder Musik machen wolle; wenn letzteres, müsse ich so eine Schule nicht absolvieren. Bumm.»

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Der Beinwiler liess sich davon jedoch nicht einschüchtern und trat sein Studium an, das durchaus unkonventionell erschien für heutige Verhältnisse. «Ich war erst der zweite Perkussionsstudent dort – viele wussten gar nicht so recht, was das ist oder wie sie mich beispielsweise in die Jazzstandards einbauen sollten», erinnert er sich und fährt fort: «So musste ich halt immer meinen eigenen Weg suchen. Das kam mir aber gelegen.»

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Beatie Bossy mit Hans-Peter Pfammatter (keys), Vincent Glanzmann (voc), Mario Hänni (b), Manuel Troller (g), Emanuel Künzi (dr) und Luki Weber (perc) – gestartet als Workshop an der Jazzschule Luzern. Bild: zvg

Auch sonst markierte der Perkussionist eine eigene Runde Bodenständigkeit vom Lande: «Ich war nie die klassische Rampensau, die sich den Djembe-Gurt umschnallte und ein hartes Solo riss. Das konnte ich nicht, das bin nicht ich, das war nicht authentisch.» Ein Kontrast zu den Helden der Szene.

«Wenn man nicht Rockstar sein will, ergeben sich natürlich auch Vorteile – beispielsweise muss ich kaum Interviews geben», grinst Weber. Unabhängig interessierten ihn ohnehin mehr die «Heroes und Heroines im Hintergrund».

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Zugleich hat sich eine weitere Komponente ergeben, für die Luki Weber heute schweizweit bekannt ist: «Ich konnte nie einem Stil oder einem Instrument zugeordnet werden. Das war während der Schule vielleicht eine Schwäche, ist heute aber in meinen Augen eine Stärke: Ich bin eine Allzweckwaffe.»

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Mnevis... (Bild: zvg)
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... Alois... (Bild: Tim Wettstein)
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... und Hanreti – Weber taucht an vielen Fronten auf. (Bild: Christian Felber)

Diese Qualität brachte Weber immer weiter: Er begann vermehrt, mit Timo Keller im Studio vom Dach zu arbeiten, wo er mittlerweile zur berüchtigten Stöckli-Gang aka Schlägertruppe gehört, einem Perkussionstrupp eigens für Studioproduktionen.

Weiter spielt er bei Kellers Band Hanreti mit und ist neben Sidemen-Jobs für Long Tall Jefferson oder Black Sea Dahu als fixes Mitglied Part von Gruppen wie Mnevis, Alois, Beatie Bossy, plus der von ihm mitgegründeten Bieler Psychedelic-Cumbitatruppe Los Orioles: «Bei denen kann ich einfach nur Kongas spielen – auch geil».

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Einfach nur Kongas spielen: Luki Weber in Aktion bei den von ihm mitgegründeten Los Orioles. Bild: zvg

Wie diese Aussage zu deuten ist? Nun: Wer den Fokus während einem Konzert auf Weber richtet, sieht schnell, wie geschäftig-geschwind dieser zwischen seinen Instrumenten hin- und herswitchen muss.

Level «Man of the Match»

Für die kommenden Hanreti-Sachen lernte er ausserdem Xylofon, bei Alois eignete er sich Samplergeschichten neben Bongos und Co. an. Weber selbst kommentiert’s bescheiden mit «Das sind Schublädchen, die zu mir passen». Böju-Bescheidenheit, Klappe die Xte.

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Bild: zvg

Oder aber: Luzerner Bescheidenheit. Trotzdem Weber lange mit einem Wegzug liebäugelte, ist er heute mehr als zufrieden in der Zentralschweiz – nicht zuletzt der Liebe wegen.

«Hier ist meine Homebase. Und wenn ich mal nach Zürich oder Biel muss, bin ich ja blitzschnell dort, zumal die Luzerner Szene eh gut vernetzt und aktiv ist in der Schweiz», sagt Weber, der häufig den Wagen für seine Bands fährt.

Zusätzlich zu seiner Unterrichtstätigkeit gilt der Fokus ansonsten weiterhin der Musik und insbesondere Mnevis, die kürzlich ein neues, tolles Album veröffentlicht haben, worauf Luki Weber Schlagzeug spielt und mitkomponiert hat.

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Mnevis (v.l.n.r.: Thomas Fehlmann, Luki Weber, Mario Hänni; springend und Zunge rausstreckend: David Hänni) Bild: Paul Märki

Diese Formation vereint das Symbol der Freundschaft wie keine andere in seiner Diskografie, besteht sie doch seit rund 20 Jahren und beinhaltet für ihn eine weitere wichtige Message:

«Such dir nicht nur gute Musiker*innen, sondern Freundschaften. Wenn Vertrauen zu den Mitmusiker*innen besteht, ist dadurch auch eine musikalische Entwicklung der Band möglich.»

Kürzlich räumte er mit den Jungs – neben den bereits erwähnten Thomas Fehlmann und Mario Hänni gehört David Hänni dazu – einen alten Studio-Proberaum im Wynental, wovon er wehmütig erzählt: «Wir haben’s lange nicht übers Herz gebracht und ihn darum unvermietet.» Was das für Webers Weg nun bedeutet? Er wird’s schon wissen – und lebt ihn weiter mit einer Ruhe, wie Siddharta am Fluss sitzend.

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Bild: Manuel Weber