Was macht die Zeit mit den Alben? [#1]

Eine Kolumne von Dr. Knobel

1. «Gran Turismo» von The Cardigans – 1998

Ich versuche mich zu erinnern.

Dieses Album klang wie durchs Telefon. Es war ein Zwitterwesen zwischen Elektro und Rock, mit vielen echten Instrumenten, die aber fast gänzlich verfremdet klangen. Es war eine gleichzeitig unterkühlte und emotionsgeladen Platte. Den Rest hab ich vergessen.

 

Die Probe aufs Exempel.

Erst ist es still und ich frage mich, ob die CD überhaupt läuft. Doch dann pfeift jemand eigenartig im Wind, unvermittelt kommt ein harter schlag mit der Pauke, dann noch einer und plötzlich ist alles da: Nina Perssons samtweiche Killerstimme, gefrorenes Schlagzeug, Gramaphon-Gitarren, Motorsägen-Bässe. Und ein gefährlicher Text, der beschreibt, wie man – unglücklich verliebt – den Verstand verliert. «Paralyzed» heisst das Stück. Grossartig!

Weiter geht es dann flotter, mit einem kleinen Hit namens «Erase & Rewind». Die Drums sind geloopt, was einen wunderbaren eiernden Groove erzeugt. Man möchte tanzen, obwohl Nina jemandem ihre Liebe versagt. Prima.

Nummer drei ist dann wieder etwas besinnlicher und grandios! «Explode Or Implode» – schon wieder ein technisches Motto. Das scheint ihr kleiner Trick zu sein: Herzzerreissendes in technischer Sprache vortragen, so trieft’s kaum. Schlau.

Aha da ist die Prügelpauke wieder. Ganz ähnlich wie am Anfang, und dann heisst das Lied auch noch «Starter». Da kommt natürlich der Verdacht auf, das Lied sei mal als Starter gedacht gewesen.

«Hanging Around»: Jetzt klingt’s, wie wenn jemand extrem nervös an einem Feuerzeug herumnesteln würde. Findet jetzt das Technische in die Musik? Auch dieses Lied ist ein Kleiner Hit. Die Drums sind sehr abgefuckt.

Lustigerweise geht «Higher» tiefer. Hier ist besungene Beziehung zum ersten Mal in Ordnung, und doch möchte Nina höher. Vielleicht meint sie ja auch das gemächliche Tempo. Ein schönes Lied, mehr nicht.

Oh jetzt wird’s strub («Marvel Hill»), wurde aber auch langsam Zeit: Trommeln aus Büffelfell, Friedhofglocken, Psychiatrie-Gitarren, da kommt Leben in die Bude. Als Mitte des Songs der Psychiatrie-Gitarre eine neurotische Orgel zu Hilfe eilt und die ganze Tonlage nach oben rutscht, ist die Party in vollem gang. Vielleicht der Höhepunkt.

Jetzt der Hit! Maschinengewehr-Trommeln eröffnen. «My Favorite Game». Wer das nicht kennt, ist eh schon lange tot.

my-favourite-game

«Do You Believe»: Es geht weiter wie bisher. Ein Pessimistischer Text mit leicht erhebender Musik. Nicht Schlecht.

«Junk Of The Hearts Lyrics». Schöner Song, die Gitarre erinnert ein bisschen an den Dreiklang in der EPA, das wirkt wie ein sanfter Weckalarm, der einen auf das Ende dieses Album-Traums vorbereiten will.

«Nil»: Ein Klavier in einer Eishöhle klimpert ziellos vor sich hin. Ende.

Fazit: «Gran Turismo» ist grossartig. Nur leider zu kurz.

 Nächsten Monat: «Moon Safari» von Air – 1998