Warum Worte wichtig sind

Südpol, Kriens, 17./19.10.2018: Zum dritten Mal in vier Jahren wird am Spoken Word Festival woerdz die Palette der gesprochenen Kunst präsentiert: von regionalen U18-Poetinnen und -Poeten bis zu internationalen Stars wie Saul Williams. Lustig, unterhaltsam, wuchtig, denkwürdig.

 

Fotos: Franca Pedrazzetti

 

Am Mittwoch begann die diesjährige, mittlerweile dritte Ausgabe des biennalen woerdz-Festivals. Das internationale Spoken Word Festival besticht auch dieses Jahr mit einem eklektischen Programm, das eine grosse Bandbreite an regionalen, nationalen und internationalen Künstlerinnen und Künstlern, an Neulingen und erfahrenen Szenis, an Musik und Bild aufweist. Während fünf Tagen soll gezeigt werden, was im Moment so in dieser Spoken Word Szene abgeht, und vielleicht auch, was noch kommen kann.

So stehen sich an einem Abend zur Feier von 20 Jahren Poetry Slam in der Schweiz acht nationale Poetinnen und Poeten aus mehreren Generationen gegenüber. Moderiert von der gewohnt scharfzüngigen Hazel Brugger, reden sie sich in die Gunst des Publikums, wobei die begehrte Flasche Luzerner Bier Whisky am Ende dem Schaffhausner Gabriel Vetter übergeben wird. Sein Hasstext auf die Natur siegt an diesem Abend über die Texte von Patti Basler, Miriam Schöb, Suzanne Zahnd, Christoph Simon, Lisa Christ, Tom Combo, und Max Kaufmann.

Slam
Gabriel Vetter, Patti Basler, Suzanne Zahnd, und Hazel Brugger (v.l.) kurz vor der Siegverkündung

Ebenfalls in einem Slam messen sich die sieben Jugendlichen, die sich im hauseigenen Vermittlungsprogramm für das Festival qualifiziert haben. In Workshops wurden die Texte von den Schülerinnen und Schülern im Vorfeld erarbeitet, und werden nun in einem 10-Punkte-Wertungssystem von einer Jury gegeneinander abgewogen. Der Slam Poet Etrit Hasler führt das Publikum und auch die Jugendlichen auf der Bühne zielsicher durch diesen U18-Dichterwettstreit. Fast schon irritierend entspannt, präsentieren die Novizen ihre Texte. So geht es thematisch unter anderem, den Umständen entsprechend, etwas erwartbar, um Druck, um das Nichtverstehen und Verstehen von Jugendslang, um das Reiten, zweimal um das Velofahren, oder auch darum, ob es besser ist, Bio-Kühe oder Kühe aus Massentierhaltung zu töten. Die Jugendlichen präsentieren ihre Texte beinahe augenzwinkernd. Sie scheinen zu wissen, was sie tun. Auch wenn die Aussprache, verständlicherweise, nicht immer deutlich, die Bühnenpräsenz nicht immer stark ist.

Auffallend ist, dass vor allem nach Lachern gesucht wird. Nicht nur bei den U18, sondern auch generell hat man den Eindruck, dass der Witz gerne als Leitleine benutzt wird. Vielleicht ist das ein Grund dafür, warum der Sieg im Dichterwettstreit an eine junge Frau geht, die den Spagat zwischen Lachnerv und Stich ins Herz schafft. Sophia Kaufmann überzeugt die Jury mit ihrem sehr persönlichen Text, der vor manchmal herzzerreissender Introspektion zeugt, und am Ende doch alles schön stehen lässt. Eigentlich will Sophia ja tanzen, aber an diesem Abend ist es das Sprechen, das ihr die alkoholfreie Flasche Sekt, und die Wildcard für das «Anlesen» in der Loge Luzern am 22. Januar einbringt.

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Etrit Hasler kürt Sophia Kaufmann zur Siegerin des U18 Dichterwettstreits

Zum Tanzen ruft 48 Stunden später auch der Hauptdarsteller des diesjährigen woerdz auf. Der Amerikaner Saul Williams, Rapper, Musiker, Autor, Schauspieler, und natürlich auch Poet, zieht mit seiner wuchtigen Solo-Performance das Publikum in seinen Bann. Schon nach Sekunden wird klar, dass jemand Besonderes auf der Bühne steht. Williams' Texte sind mal politisch, mal existenzialistisch. Mal spricht er von Hautfarbe, von Kapitalismus, von der Ausbeutung der Natur, mal kritisiert er die Abschlachtung von Tieren, und dann beweint er diejenige von Menschen. Er deklamiert seine Texte mit einer überwältigenden Intensität, und mit einer Klarheit, die über das englische Sprachverständnis hinausgeht. Er weiss, wie man mit Rhythmus umzugehen hat. Einer seiner Texte ist eine Art Medley, welches sich an bekannten Hooks aus verschiedenen Songs entlang hangelt. Man hört die Beats beinahe, und traut kaum, sich zu bewegen. Oder merkt plötzlich, dass es schon eine Weile her ist, als man zum letzten Mal eingeatmet hat. Er regt zum Denken an, aber unweigerlich auch zum Fühlen.

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Saul Williams deklamiert einen seiner denkwürdigen Texte

Saul Williams zeigt, warum das gesprochene Wort so wichtig ist, zeigt die Macht, die es haben kann. Er zeigt noch mehr, was Kunst machen kann, warum das Ganze so wichtig ist.

James Baldwin, der berühmte amerikanische Poet der Bürgerrechtsbewegung, hat in einem seiner Essays geschrieben, dass nur Poeten (Künstler) die Wahrheit über uns als Gesellschaft kennen. Nicht die Staatsmänner, nicht die Soldaten, nicht die Priester. Nur die Poeten. Und genau deswegen sollte man ihnen auch zuhören, und darauf hoffen, dass sie nie damit aufhören, es uns zu sagen.

Weitere Infos: www.woerdz.ch