Top 15 – Dies sind unsere Kulturköpfe 2009

Auf Maggie Imfeld (siehe hier) folgt Luca Schenardi als Kulturkopf des Jahres – die Redaktion des Kulturmagazins listet jene 15 Kulturschaffenden und Vermittler auf, die 2009 besonders von sich reden gemacht haben.

1. Luca Schenardi Künstler Der freischaffende Illustrator, Grafiker und Künstler Luca Schenardi nimmt in seinen Arbeiten Versatzstücken der Lifestyle-Kultur und der Spassgesellschaft auf, lässt uns aber das Lachen im Halse stecken bleiben. Er zeichnet ein zerrissenes, bigottes Weltbild, wozu er allerdings die grellsten, knalligsten Farben verwendet Diese Kombination macht ihn unwiderstehlich.

2. Claire Zachanassian Geldgeberin Erst am Ende des Jahres hat man erfahren, dass Claire Zachanassian, die das ganze Jahr über mit ihrem 100-Millionen-Geschenk die Luzerner Kulturpolitik auf Trab gehalten hatte, gar nicht Claire Zachanassian heisst und auch gar keine alte Dame ist. Sondern eine alte Dynastie, reich geworden in der Chemiewirtschaft. Die Engelhorns – Familienoberhaupt Curt und sein in Meggen lebender Cousin Christof – waren es laut Recherchen der «SonntagsZeitung», die dem Lucerne Festival den schönen Batzen für den Bau einer Salle modulable auf den Tisch gelegt hatten. Das Geschenk war so prall und schön, dass es die Stadt nicht ablehnen konnte. Mehr noch: Es war so gross, dass die Stadt flugs die ganze Kulturszene umzukrempeln begann, noch bevor überhaupt ein sinnvolles Konzept für die Salle modulable vorlag. Ganz zu schweigen von einem Konzept, wie der Betrieb dieses neuen Kulturhauses zu finanzieren wäre. Jetzt hat die Stadt das Geschenk und auch die Bescherung.

3. Isa Wiss Mullbau Die Sängerin Isa Wiss wollen wir hier stellvertretend loben für das ganze Team vom Mullbau, diesem kleinen, naja, mittelfeinen Veranstaltungsort, der schon jetzt das neue Stadtzentrum in Luzern-Nord (Littau, Emmen) mit hochkarätiger Kultur belebt. Immer dichter ist das Programm in den letzten Monaten geworden, aber nicht nur das. Der Mullbau ist heute auch die wichtigste Bühne der Region für improvisierte Musik, für dieses ungewisse Abenteuer, in das sich versierte Musikerinnen und Musiker ohne Absprache stürzen. Und es sind die Besten, die kommen ...

4. Philippe Bischof Leiter Südpol Haarscharf am Podest vorbei – aber immerhin: Mit dem Sprung vom letztjährigen sechsten auf den vierten Platz gehört der Südpol-Leiter zu den grossen Gewinnern. Und es ist die logische Konsequenz, denn der Karren Südpol rollt zuverlässig. Das Haus wird kaum noch grundsätzlich in Frage gestellt, der Publikumsaufmarsch nimmt kontinuierlich zu und auch finanziell sieht’s besser aus als von vielen befürchtet. Sicherlich schmerzt der Wegzug von Christoph Linder nach nur einem Jahr, aber hat er mit Fabian Fuchs einen hoffnungsvollen Ersatz gefunden. Und man sieht Bischof nicht nur bei fast jeder Veranstaltung des Südpol in den Räumen umherschwirren, man trifft ihn ebenso dann und wann im Sedel oder Treibhaus an. Bischof ist einer, der kulturell keine Berührungsängste zu haben scheint – wohl mitunter ein Grund für den Erfolg des Hauses.

5. Bluttmagazin Comicmagazin, Aktionsgruppe u.a. Erstmal ist Blutt ein Magazin für lokale Comic-Schaffende, das viermal jährlich erscheint, in Beizen gratis aufliegt, aber auch abonniert werden kann. Doch das ist nur eine Facette des Kollektivs, sozusagen die Konstante im losen Netzwerk von eigenständigen, höchst kreativen Köpfen. Den Kern bilden die Herausgeber Konrad Beck, Simon Schnellmann, Mathis Pfaeffli und Esther Burri – doch vernetzt ist Blutt bis über die Grenzen hinweg. So sind sie nicht nur am hiesigen Fumetto anzutreffen, sondern genauso am Comicsfestival in Hamburg. 2009 setzte sich Blutt mit Wand- und Gebäudemalereien in Szene: Im Südpol genauso wie in Budapest. Blutt setzt einen angenehmen Kontrapunkt zur institutionalisierten Kultur und ist, wenn andere noch zögern, schon an der Front und deshalb das aufregendste Ding im hiesigen Kunstschaffen.

6. Daniela Küttel & Nadja Bürgi Bourbai Kino/Bar/Bistro Dem Verein zur Erhaltung des Bourbaki Panoramas durfte man dieses Jahr zum 30. gratulieren. Gratuliert wird aber auch den Bourbaki Kinos, dem Bistro, der Bar und den Veranstaltern – namentlich Daniela Küttel und Nadja Bürgi. Ob Weihnachts- und Silvesterpartys, eine Ausstellungen oder die Cinerama-Disco-Reihe – das Bourbaki bot 2009 viel für die hiesige Ausgangs- und Kulturszene.

7. Judith Albert Videokünstlerin Judith Albert ist eine aufmerksame Beobachterin des Banalen und scheinbar Alltäglichen. Durch die Langsamkeit, die genaues Anschauen bedingt, werden die vergänglichen Augenblicke des Lebens in ihren Arbeiten zu poetischen und dramatischen Videogedichten. Albert war dieses Jahr unter anderem an den Swiss Art Awards in Basel vertreten und zeigte ihre Werke im Raum für aktuelle Kunst o.t. in Luzern. Ihre Einzelausstellung «Gezähmtes Licht» mit neuen Videoarbeiten läuft noch bis 7. Februar im Kunstmuseum Luzern.

8. Hildegard & Walter Schär Veranstalter Bau 4 Hildegard und Walter Schär stehen stellvertretend für eine Vielzahl engagierter Veranstalter, die sich fürs Kulturleben in der Region stark machen. In ihrem Wohnzimmer spielte bereits eine Vielzahl bekannter Schweizer Jazzmusiker und die hauseigene Schreinerei wurde regelmässig zum Kinosaal umfunktioniert. Mittlerweile haben sie sich mit dem Bau 4 den Traum eines eigenen Veranstaltungslokals erfüllt. Ob Film, Kunst, Theater oder Jazz, das liebevoll zusammengestellte Programm überzeugt rundum.

9. Walter Sigi Arnold Schauspieler Was Theaterleute der freien Szene so alles machen und können, das zeigte heuer auf beeindruckende Weise der aus Uri stammende, in Luzern lebende Walter Sigi Arnold. Zuerst entwickelte er für die Urner Theaterleute von Momänt & Co. die packende Inszenierung von Heinz Stalders «Grenzlauf», dann füllte er die Ränge des Kleintheaters mit einer Marathon-Lesung der von Kurt Steinmann frisch übesetzten «Odyssee», schliesslich brillierte er als linkischer Mephisto in der Freilichtaufführung von Christopher Marlowes «Dr. Faustus».

10. Marco Fischer Realsatiriker Dass die Stadt endlich «im Autobereich chli öppis mache» sollte, diese Einsicht verdanken wir dem 29-jährigen Marco Fischer, der im Frühling in der FDP fürs Stadtparlament kandidierte. Das Video, mit der er seine Bewerbung, ähem, bewarb, bescherte ihm innert kürzester Zeit das, wovon viele Kulturschaffende in dieser Stadt nur träumen können: internationale Medienpräsenz à gogo, unter anderem im österreichischen Fernsehen. Die Realsatire des Jahres, allerdings nur ganz knapp vor dem Mann mit der Stirne und dem Helikopter.

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11. Konrad Weber Buvette Inseli Der Rothenburger ist ein Tausendsassa. Bekannt ist er auch als Entdecker von aussergewöhnlichen Orten, die er als provisorische Bars oder Treffpunkte einrichtet. So öffnete er etwa mit der «Vollmondlounge» immer wieder Türen zu räumlichen Überraschungen. Sein neuster Coup ist die Buvette auf dem Inseli, die die zweite Saison, von April bis September, bravourös überstanden hat. Präsentiert werden zudem feine Kleinkunst-Darbietungen. Bleibt zu hoffen, dass die Buvette erhalten bleibt und nicht als Pförtnerhaus der Salle modulable endet.

12. Diana Lehnert Leiterin LSO Horizonte Letzte Saison startete das Luzerner Sinfonieorchester das Programm «Horizonte – Im Dialog mit Musik». Es eröffnet neue Zugänge zu Musik und experimentiert mit anderen Konzertformaten. Unter der Leitung von Lehnert gibt’s pro Saison rund zehn Angebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. So etwa die interaktive Konzertreihe «Ahoi!». Im Vordergrund steht die Musik, nicht die Pädagogik. Wer will, kann am Geschehen teilnehmen. Oder aber nur die Ohren spitzen. Ein guter Einstieg in die (Hör-)Kultur der zeitgenössischen Musik.

13. David Roth Stadtparlamentarier Wenn sich ein Politiker die Kultur auf die Fahne schreibt, dann er. Kaum einer setzt sich so energisch und öffentlichkeitswirksam für eine Verbleib von Kulturräumen und eine lebendige Durchmischung der Stadt ein wie Roth. Dabei schreckt er auch vor Provokationen, wie dem Frontalangriff auf den Stadtrats-Sitz von Baudirektor Kurt Bieder, nicht zurück. Gut so, in einer Stadt, in der junge Bewohner gegenüber potenziellen Steuerzahlern je länger je mehr das Nachsehen haben, sind solche Politiker dringend nötig.

14. Manuel Troller Gitarrist Es gibt sie auch in Luzern hundertfach: Gitarristen. Einer, der letztes Jahr aus dieser Masse hervorstach war Manuel Troller. Der 23-Jährige überrascht bereits mit einem eigenständigen musikalischen Ausdruck. Dazu gehört nicht nur eine stupende Technik, sondern auch ein sicheres Gespür für Interaktion und Zurückhaltung. Diese Eigenschaften scheinen sich herumgesprochen zu haben. Troller spielt seit einiger Zeit in der Band von Sophie Hunger. Regelmässig zu hören ist er zudem bei den Jazz-Rockern Schnellertollermeier und der HipHop-Combo Onan.

15. Ludwig Wicki Dirigent 21st Century Orchestra Dieser Mann mischt das hiesige Musikleben ganz schön und lange auf: Zunächst Posaunist im Sinfonieorchester, dann langjähriger Dirigent der Bürgermusik, Dozent an der Musikhochschule, Gründer zahlreicher Ensembles ... die Liste liesse sich leicht fortsetzen. Und nun das 10-jährige Jubiläum seines berühmtesten Kindes, des «21 Century Orchestra», dessen Dirigent und Intendant er ist. Der Omnipräsente ist immer im Schuss, mit Rollköfferchen oder Notenmappe, und seine Energie wirkt sich mehr als positiv auf das Luzerner Musikleben aus!

Texte: Andrea Portmann (1.,7.), Christoph Fellmann (2., 3., 9., 10.), Jonas Wydler (4., 5., 13.), Nina Laky (6.), Urs Emmenegger (8., 14.), Christine Weber (11., 12.), Dominique Chantal Müller (15.)