Teil IV – Nachruf auf einen TAT-ORT mit einer Prise Kunsthoch

Stadt Luzern & Agglomeration, SA 03.09.2016: Bereits vor einer Woche wurde die Ausstellung «Eine Hand voll» im TAT-ORT Bernstrasse eröffnet. Während des samstäglichen Kunsthoch Aktionstages haben die jungen Künstlerinnen zahlreiche Besucherinnen und Besucher in ihren Bann gezogen. Nachfolgend ein Plädoyer für Eigeninitiative und experimentelles Ausprobieren.

So, nun folgt der vierte und letzte Teil eines intensiven Kunstwochenendes, das mit dem Aktionstag der Luzerner Ausstellungsräume und Galerien ihren Höhepunkt erreichte. Gutes Wetter, gut besuchte Rundgänge (zu Fuss, per Bus sowie per Fahrrad) und eine locker-angenehme Stimmung innerhalb des Luzerner Kunstkuchens. Die diesjährige Ausgabe des Aktionstages Kunsthoch hat zahlreiche Besucherinnen und Besucher aus ihren eigenen vier Wänden in andere vier oder mehr Wände getrieben. Das Abschlussfest im Neubad erschien als idealer Verweilort für Kuratoren, Künstler und Besuchende.   Galerie Urs Meile, 18.00 Uhr (in Teil I behandelt) Benzeholz Meggen, 18.30 Uhr (nicht geschafft, leider) Akku Emmenbrücke, 18.30 Uhr (in Teil I behandelt) Alpineum Produzentengalerie: 19.00 Uhr (in Teil II behandelt) Galerie Kriens, 19.00–21.00 Uhr (in Teil III behandelt) Museum im Bellpark, 19.00 Uhr (in Teil III behandelt) TAT-ORT Bernstrasse, 19.00 Uhr (wird hier in Teil IV behandelt)   Die Ausstellung mit dem vielversprechenden Namen «Eine Hand voll» und dem noch vielversprechenderen Plakat (jemand hält gekonnt einen wenig appetitlichen Mini-Hot-Dog in der Hand) wurde ebenfalls am letzten Freitag den 26. September 2016 eröffnet und anno dazumal wohl auch als letzte von allen geschlossen. Denn in der Ateliergemeinschaft TAT-ORT Bernstrasse, die auch einen Ausstellungsraum sowie Kellerräumlichkeiten beherbergt, haben sich fünf Kunststudentinnen & angehende Künstlerinnen zusammengetan und eine Werkschau (und sehr appetitliche Hot-Dogs) organisiert. Lotta Gadola, Zoë Genhart, Andrina Keller, Corinne Meyer und Shannon Zwicker zeigen Einblicke in ihren künstlerischen Tätigkeiten, deren Vielfalt von Objekten, Fotografien bis zu einer Videoinstallation reichen. Mit Abgüssen von Brüsten aus verschiedenen Materialien wie Beton, Gips und Silikon bestückt Zoë Genhart die Räumlichkeiten. Zwar hinsichtlich der Motivik nichts Neues, doch in der Verteilung in den Räumen ansprechend, formieren sich jeweils ein paar Brüste (womöglich diejenigen der Künstlerin selbst) als eigenständige Paarobjekte. Mit dem Ausstellungstitel im Hinterkopf, vermag man(n) durchaus von einer handvollen Proportion zu sinnieren, die an einer Stelle durch einen schwarzen Balken einer künstlerischen Zensurbehörde zum Opfer fiel.

2016-08-26 23.43.50

Grossformatige Selbstportraits einer nackten Rückenansicht präsentiert Shannon Zwicker, die proportional sinnvoll zur Ausstellungswand gehängt sind. Nacktheit und Handverrenkungen sind das zentrale Thema der sinnlichen Abbildung des Künstlerinnenkörpers. Eine zart-erotische Anonymität erstreckt sich innerhalb der Gegenüberstellung der beiden Fotografien, die mit Klammern gehängt eine pragmatische Ateliersituation widerspiegeln. Gedankenversunken kann man sich in der Hautlandschaft verlieren und deren Oberflächenstruktur studieren. Natürliche Merkmale (Muttermale, feinste Haaransätze und Fingernägel) des Körpers werden zur Stilstudie vor gebläutem Hintergrund und verleiten zur Nachahmung von anatomischen Verrenkungen.

2016-08-26 22.28.28

Ebenfalls in der garagenartigen Räumlichkeit gibt es einen dichten Block an «wissenschaftlich anmutenden Untersuchungen organischer Formen einer Salamischeibe» von Andrina Keller zu bestaunen. Kennt man den Arbeitstitel nicht, kann es durchaus schwierig werden, aus der individuellen Fantasie gewisse formal-ästhetische Rückschlüsse auf eine materialistische Lebensmitteladaption ziehen zu können. Insgesamt 56 Materialdrucke auf Papier zeigen die Salami in seiner abstrakten Form. Die durchziehenden Fett- und Pfefferstückchen scheinen sich in den strukturellen Rundformen gegenüber den dunklen Stellen zu behaupten und verorten die Salamischeiben in universelle Gefilde. Planeten und Sternformationen lassen sich bei flüchtigem Blick erahnen und geben den spielerischen Umgang der Künstlerin mit dem bekannten Lebensmittel preis.

2016-08-26 22.28.20

Feingliedrig und dünnfädig – leider in einer eher ungünstigen Ecksituation präsentiert ­– hängt die filigrane Installation von Corinne Meyer im Ausstellungsraum. Flüchtige Naturerscheinungen in Form von kleinsten Blättern und Samen sind in einer senkrechten Fadeninstallation konserviert und festgebunden. Auf dem Weg in die Kellerräume begegnet man einem weiteren Brustobjekt von Zoë Genhart, bevor man auf eine poetisch-minimalistische Videoinstallation von Lotta Gadola trifft. In weniger als zwei Minuten verschmelzen die Füsse und Hände der Künstlerin zu einem anthropomorphen, inkarnaten Konglomerat anatomischer Formen. Unweigerlich an Heidi Klums «Katjes» Werbung erinnert, birgt die Videoinstallation von Lotta Gadola eine subtile Auseinandersetzung mit den beiden Körperenden und fügt sich nahtlos in die Thematik des Ausstellungstitels ein. Die Ausstellung sowie die Atmosphäre an der Eröffnung bestätigt ein vielseitiges Kunstschaffen von jungen Absolventinnen der Kunsthochschule und verdeutlicht mehr als zaghafte Versuche innerhalb einer produzentenorientierten Ausstellungstätigkeit. Sehr erfrischend und übrigens: Heisser Musiktipp von der Vernissage: José Larralde – Quimey Neuquen.

2016-08-26 23.43.59

 

Die Ausstellung «Eine Hand voll» ist nur noch am SO 4. September 2016 von 14.00 bis 16.00 Uhr an der Bernstrasse 94 in Luzern zu sehen. Nutzen Sie die Gelegenheit! Exlusiv werden an dieser Stelle noch die kurzen Gedichte von Pablo Haller aka Ivan Schnyder (Redaktionsleitung 041 – Das Kulturmagazin) publiziert, die er anlässlich eines geführten Rundgangs am KUNSTHOCH LUZERN vorgetragen hat.   haut & haar mit haut & haar & muttermal mit dem rücken zur hand drücken wos zieht mit feuer & sahne mit hammer & schenkeln mit herz & sehnenscheidenenzündung ohne sinn und versteigerung quatsch mit hose krawall mit krawatte zeter & mord mit rang & samen feuer und flammkuchen   dots & spots  schau wie gleich wie anders warum erinnert es mich bloss an wurst salami warum salami gerädelt & bemalt & stempel auf papier schau wie gleich wie anders warum erinnert es mich bloss an eine welt die ihre inseln nicht im griff hat ultraschallbild oder pilz schädling sporen kaum in der luft bereits in ihrer lunge atmen sie ruhig   abstraktion augenlos nase & mund verklebt oder verkehrtrum hängend nasen- & mundlos mit verklebten augen? ein folterkeller im nahen osten oder ganz harmlos black & white together aufeinander? abstraktion     hände in füssen hände oben füsse unten finger zwischen zehen hände machen füse gehen finger zwischen zehen zehen bemalt hände nicht soweit die augen sehen hände oben? füsse unten? finger zwischen zehen im spanischen dasselbe wort: dedo oben, unten, ineinander gleich geht doch