Tanz 32: Auf die Maske!

Südpol, Kriens, 28.10.2020: «Tanz 32: I am who I am who I am» des Luzerner Theaters widmet sich unserer Identität. Die eigentlich im Frühling geplante Aufführung wird nun nachgeholt. Die zwei Tanzaufführungen und der gezeigte Film überzeugen – vor allem als Schauspiel.

Bilder: Ingo Höhn

Unter der Leitung der Tanzdirektorin Kathleen McNurney hat es an Abwechslung und Vielfalt am Luzerner Theater nie gefehlt. Mit «Tanz32: I am who I am who I am» behandelt das Ensemble des Luzerner Theaters trotzdem ein wiederkehrendes Thema innerhalb des tänzerischen Milieus: die Identität.

Dazu inszenieren drei Choreographinnen je ein Stück, betrachten dabei das Selbst aus verschiedenen Blickwinkeln, während sich das Wechselspiel zwischen Individuum und Gesellschaft durch alle drei Darbietungen durchzieht.

IRIS am LT

Der Einstieg erfolgt mit dem Stück «IRIS» von Jasmine Monrand. Es handelt von der Lösung eines Kindes von seiner Mutter, der Entwicklung von Eigenständigkeit. Die Tänzer*innen symbolisieren durch Bewegungen in einem engen Kreis die mütterliche Geborgenheit, bis das Gefüge sich langsam öffnet und Unsicherheit sich ausbreitet. Während die ausdrucksstarke Mimik und die langsame Dynamik überzeugen, bleiben die Tanzschritte eher glatt. «IRIS» verpasst so die Chance als eigenes Stück zu bestehen, funktioniert aber gut als Einleitung in einen mehrteiligen Abend.

Anonymität ist authentisch

Dafür überzeugt Caroline Finns Tanzfilm «personae» besonders. Die Thematik des Werks wird durch ein Zitat von Oscar Wilde präsentiert: «Man is least himself when he talks in his own person. Give him a mask, and he will tell you the truth.» Demnach können Personen dann die Wahrheit über sich selbst offenbaren, wenn ihre Identität anonym bleibt.

Begleitet von dramatischer Chormusik, werden die dunklen Geheimnisse der maskierten Darsteller*innen offenbart. Gespielt wird mit Gender-Rollen, Sexualität und der Sehnsucht nach Verbotenem. Zuckende Bewegungen schaffen ausdrucksstarke Bilder schelmischer Persönlichkeiten.

Personae Still
Videostill «personae» (2020)

Dennoch fragt man sich, ob und wie Film in eine Live-Vorstellung passt. Man erfährt, dass das Stück ursprünglich als Bühneninszenierung im April geplant war, zusammen mit den anderen beiden präsentierten Stücken.

Choreographin Caroline Finn und die Tanzkompanie der Spielzeit 2019/20 hatten die Einübung des Stücks damals schon fast beendet, als die Nachricht der neuen Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus sie erreichte. Kurzerhand entschloss man sich, das Stück als Film zu konzipieren und holte Myrien Barth für die Regie und Bonny Orbt für die Kamera hinzu.

Doch erhielt die tänzerische und choreographische Leistung durch die Möglichkeiten der Filmproduktion eine zusätzliche Qualität: Schnitt, Beschleunigung und Verlangsamungen des Clips schaffen ein eigenes, neues Kunstwerk.

Ich bin ich durch das, was wir sind

Den dramatischen Schluss des Abends macht Choreographin Ella Rothschild mit «PIGULIM». Die Tanzenden schildern vor allem durch ihr schauspielerisches Können verschiedene Beziehungskonflikte. Das starke Ringen mit sich selbst ist stets ausgelöst durch den Willen, dem jeweiligen Gegenüber gerecht zu werden.

Grossartige, farbige Kostüme tragen einen wichtigen Teil zu einem gemäldeartigen Bühnenbild bei. Jedoch rücken durch das Theater die wenigen Tanzpassagen in den Hintergrund.

Tanz 32 am LT

Als tänzerisches Schauspiel überzeugt «I am who I am who I am», das Zusammenspiel verschiedener Elemente, die an einer performativen Produktion beteiligt sind, gelingen: Kostüm, Schnitt, Schauspiel, Musik und Tanz sind an diesem Abend gleichwertige Elemente. Dabei gelingt die Auseinandersetzung mit Identität durch die physische Komponente der tänzerischen Bewegungen, welche das theoretische Konstrukt zu verbildlichen vermögen.

Tanz 32: I am who I am who I am
FR 30. & SA 31. Oktober, DI 3., MI 4. & DO 5. November, 20 Uhr
Südpol, Kriens

Choreographie: Ella Rothschild, Caroline Finn, Jasmine Morand ; Video: Myrien Barth und Timo Schaub; Bühne: Sophia Prölss; Kostüme: Eva Butzkies; Dramaturgie: Sarah Brusis

SpieL: Carlos Kerr Jr., Dario Dinuzzi, Andrea Thompson, Valeria Marangelli, Lisa Gareis, Phoebe Jewitt, Igli Mezini, Flavio Quisisana, Olivia Blanch, Mathilde Gilhet, Luigi Imperato, Terra Kell, Mathew Prichard, Ilaria Rabagliati, Gabriele Rolle, Giuliana Sollami