Stillstand oder Zauberformel?

Konzerthaus Schüür, 14.04.2018: In Luzern zu spielen, das sei immer wie eine Heimkehr, spricht der Berner Fabio Friedli am Samstagabend ins Mikrofon. Das Konzert von Pablo Nouvelle und seiner Band wirkte dann auch heimelig und vertraut. Wie eine längst überfällige Family-Reunion – an der die Anwesenden aber kaum Neues zu erzählen wussten.

Bewundernd schaut man in der Schweizer Musikszene zu Fabio Friedli auf. Nachdem er sich in der Berner Hip-Hop- und Soulszene einen Namen gemacht hatte, schaffte er es mit seinen Solo-Songs in die Rotation von englischen Radios. 2013 schien es, als erobere der Schweizer «von Bern aus die Welt», wie die Berner Zeitung schrieb. Das damals aktuelle Release heisst «Is It Ok?», Friedlis erste Single unter dem Namen Pablo Nouvelle. Mittlerweile ist mit «Wired» Pablo Nouvelles drittes Album erschienen, die dazugehörige Frühlingstour befindet sich in den letzten Zügen. Nouvelle ist neu mit Matthias Nydegger (dr) und Lotti Happle (voc) unterwegs, immer noch mit Simon Borer alias Long Tall Jefferson (g/b), nicht mehr dabei ist Mario Hänni (dr). Doch an diesem Familientreffen geht es nicht um die neue Clique: Hauptsache, Pablo Nouvelle und seine Musik sind noch die Gleichen.

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Bild: zvg

Neu zur Familie gestossen ist Sensu. Von SRF3 bis Orange Peel gilt sie als die Zukunftshoffnung der Schweizer Electronica. Die junge Produzentin aus Baden hat vor einem Jahr ihre erste EP «Lose Sight» veröffentlicht und für Pablo Nouvelle einen Remix produziert. Anders als Friedli ist Sensu live ganz auf sich gestellt. Der Sound kommt ab Konserve, die Produzentin bedient Sample-Pads und MIDI-Controller. Dabei erschafft sich die Badnerin ihre eigene Klangwelt aus dem Beat-Baukasten der Nullerjahre. Kick und Snare könnten einem Timbaland-Drumkit entstammen, die Synthie-Melodien erinnern an die tanzbareren Tracks von Hudson Mohawkes Debüt «Butter». Als Hip-Hop-Beats im Kern konzipiert, schweifen die Tracks gerne in poppigere Gefielde aus. Das Erfrischende dabei: Der Sound will auf die Tanzfläche, ohne dabei die durchgespielte Trap-Formel zu rezyklieren. Kompositorisch ist Sensus Sound aber noch nicht über alle Zweifel erhaben. Der eine oder andere Übergang zog sich etwas hin, dieser oder jener Drop kam aus dem nichts. Sind die Songs auf dem angekündigten Album detailverliebter und wohlstrukturiert, dürften sie jedoch einschlagen – und die Familie stolz machen.

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Dann betritt Familienoberhaupt Friedli die Bühne, zunächst flankiert von Simon Borer alias Long Tall Jefferson (voc, g, b) und Matthias Nydegger (dr). Die drei lassen nichts anbrennen. Das Repertoire sitzt, Song für Song wird abgespult. Es kristallisiert sich ein Muster heraus, ja, eine Zauberformel. Der Einstieg in den Track: akustisch, Fokus auf die Stimme oder das Stimmsample, eine melancholische Stimmung wird etabliert. Langsam bewegt sich diese in pulsierendere Sphären, ein Beat setzt ein: 1, 2, 3, 4 – tanzen! Gut alle vier Minuten goutiert das Publikum den obligaten Drop mit einigen «Whoos!». Während den instrumentalen Teilen soll getanzt werden, dann wird der Groovepart aber auch schon weniger lebhaft. Zurück zur Melancholie, ein paar Takte Outro und der Applaus kommt wie bestellt. Die Gesangsparts von Borer sind überzeugend, in der zweiten Hälfte des Konzerts übernimmt die ausgebildete Schauspielerin und Friedli-WG-Mitbewohnerin Lotti Happle meist die Rolle der Lead-Sängerin. Präsenz markiert sie mit ihrer federbestückten Jacke und einigen Tanzeinlagen. Stimmlich gelingen ihr die poppigen Nummern ganz gut, einige Momente erinnern an Meghan Trainor, riechen nach Starpotenzial.

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Dieses hatte man vor fünf Jahren auch in Pablo Nouvelle gesehen. Damals der frische Newcomer, ist der 32-Jährige heute ein erfahrener Performer, der seine eigene Ästhetik etabliert hat. Soul-Gesang, housige Beats: Nach fünf Jahren weiss Friedli, dass das funktioniert. Statt die Formel jedoch weiterzuführen, umzubauen, wird sie vor allem brav durchexerziert. Ein, zwei Experimente gibt es im Set – doch sie gehen nicht weit genug. Long Tall Jefferson singt eine Akustiknummer, die interessanter wäre, wenn der Autotune-Effekt nicht nur ein bisschen aufgedreht wäre. Ein arabischsprachiges Sample verspricht neues Flair, das sich nicht entfalten kann, weil alle anderen Elemente des Songs gleich bleiben wie beim Stück davor.

So sitzt Fabio Friedli aka Pablo Nouvelle am Kopfende des Familientischs und hat alles unter Kontrolle. Mit beiden Beinen steht er im Leben, für die Zukunft braucht er sich keine Sorgen zu machen. Sein Handwerk bleibt unantastbar – doch man wünscht sich für ihn eine neue Herausforderung.