Sprungfeder-Showdown

Schüür, 05.12.2015: Da waren es nur noch fünf: Nach den Vorrunden der Sprungfeder massen sich an deren Finale die verbliebenen Musikformationen Shoot the Satellite, Seasons, No Kings No Slaves, A.K.A. Unknown sowie The Schorchettes  und spielten um den Sieg. Auch Kulturteil.ch beteiligte sich wieder an dem Event – natürlich mit einer gnadenlos ehrlichen What's App-Kritik.

Von Céline Estermann, Carina Odermatt, Stoph Ruckli. Zusammengestellt durch Stoph Ruckli

Ausgangslage: Insgesamt 25 Bands duellierten sich auf fünf Bühnen der Zentralschweiz in den Vorrunden des Bandwettbewerbs Sprungfeder um den Einzug ins Finale, welches in der Schüür stattfinden würde. Aus der Kombination Jury mal Publikumsvoting gingen Shoot the Satellite (Südpol, Kriens/Luzern), The Schorchettes (Senkel, Nidwalden), Seasons (Treibhaus, Luzern), No Kings No Slaves (Kulturwerk 118, Sursee) und A.K.A. Unknown (Industrie 45, Zug) als Sieger hervor. Details zu den Vorrunden findet man hier (Runde 1) und hier (Runde 2).  Nun also die Finalissima in der Schüür. Das Publikum: Bunt durchmischt - von blutjung bis betagt im Aufbau. Die Jury: Pirmin Bossart (Journalist), Moritz Stettler (Musikchef Radio 3FACH), Greg(i) Zeder (Konzerthaus Schüür), Marco Jencarelli (Soundfarm) und Hélène Morgue d’Algue (Helvetiarockt) – viel Kompetenz! Moderation: Dominique Iten (SRF 3 & Drummer der Rival Kings). Auch hier: Der Mann kann moderieren. Generell gefiel der professionelle Auftritt der Sprungfeder, inklusive Panel zum Thema «Vom Song zum Radio» im Vorfeld. Und wie stands um die Musik?

Seasons

Stoph Ruckli (SR): Start mit Seasons. Des Namens wegen? Wobei, dann hätten auch die Schorchettes starten können. Aber Start mit Schorchettes klingt doof. Bricht man sich glatt die Zunge. Céline Estermann (CE): Meine ich das nur, oder gehen da ab und zu ein paar Töne daneben? SR: Vielleicht ein Teil vom DIY-Konzept? Ich frage mich eher, was mit dem Gitarristen los ist. Hat der keine Lust oder ist er bloss schrecklich nervös, so teilnahmlos wie er dasteht? Aber: gute Idee, Mike von Cold Reading als Gastsänger auf die Bühne zu holen. CE: Und jetzt singt auch noch der Drummer, juhui! Die Melodie ist catchy. SR: Never let the Drummer sing. Eine weitere spannende Idee, aber leider nicht so gut umgesetzt. Da muss Gesangsunterricht her. Carina Odermatt (CO): Das Publikum hat trotzdem Spass. Es wird immer engagierter mitgemacht. SR: Die Smartphone-Mädels in der Frontrow entdecken den Punk. Richtig so! Und fuck, der Gitarrist ist nicht nur verdammt nervös, sondern auch verdammt gut! Two-Hand-Tapping mit solch einer Präzision; für mich ist er bereits der Saitenheld des Abends. Die Jungs sind ohnehin ziemlich fit an den Instrumenten. Eigentlich sollte die Sprungfeder die Instrumentalisten ebenfalls prämieren, so wie das beispielsweise beim (leider beendeten) Basler Sprungbrett-Bandcontest der Fall war. Wenn dann die Gesangstöne sauberer hinhauen, sehe ich da eine verheissungsvolle Zukunft.

AKAUnknown

SR: Läck, der Anfang vom A.K.A. Unknown-Gig klang, als ob ich auf nem edlen Ross auf einem dunklen Bergpfad reite und plötzlich geht das Licht an, ich sehe, dass das vermeintliche Ross n verwirrter Esel ist und wir fallen beide den Hügel runter. CO: Tatsächlich ein vielversprechender Anfang, aber jetzt ziemlich chaotisch. CE: Die Jungs sind jedoch richtig tolle Musiker! Das Saxophon ist gut. Groovt jetzt richtig. SR: Der Vorteil an instrumentaler Musik: Keiner kann schief singen, hähä. Was ich jedoch nicht verstehe: Wieso reden Zentral+ und die Industrie 45 von einer Ska-Band? Da schwingt Patent Ochsner mit, wenn der Pianist an die Trompete wechselt, da spürt man Funken von The Doors oder sogar Pink Floyd in den Jam-Parts, aber Ska? Hat das in deren Redaktion jemals eine/r gehört? Vielleicht wegen dem einen Off-Beat-Stückchen? Alle: Abgesehen davon groovt der Sound, besitzt spannende Ideen sowie schöne Melodien und macht richtig gute Laune. Überträgt sich auch auf das Publikum. Klingt aber gen Schluss ein wenig stark nach Jam-Session. CE: Och nöö, jetzt wird noch die Band vorgestellt. Ziemlich kitschig, aber das Publikum gröhlt und klatscht fleissig. SR: Love it, wenn die Mitglieder der Gruppe vorgestellt werden und du das Gefühl hast, die Namen klingen wie das Verlesen des Abschneidens der Schweizer Ski-Nati. CO: Wo bleiben eigentlich die Frauen auf der Bühne? SR: Schwierig bei fünf Bands, die nur Männer enthalten. Das wird Hélène von Helvetiarockt nicht freuen. Ab an die Instrumente und auf die Bühnen, liebe Frauen! Es kann nicht genug von euch geben.

TheSchorchettes

CO: Man merkt, dass The Schorchettes in Europa als Strassenkünstler unterwegs waren. Das passt zu ihnen. Ihre Life-Advice-Texte mag ich aber nicht so. SR: Und Slap-Bass bei Indiesongs ist einfach ein No-Go. CE: Ich mag die Stimme des Frontmannes, schön rauchig und tief, aber trotzdem geht sie nicht unter zwischen den Instrumenten. CO & SR: So ein schöner Sänger. Aber was soll die rote Strähne? SR: Sie tanzen wie Bojen im Vierwaldstättersee … CE: … und singen stimmig! Mal was Neues an diesem Abend. Schade, hört das Publikum nicht zu. Vielleicht, weil's dann doch zu kitschig wurde? CO: Der letzte Song auf Deutsch? So schnulzig! Und wenn, sollte man die hochdeutsche Aussprache schon im Griff haben... CE: Irgendwie komisch, wenn eine Band vier Lieder auf Englisch bringt und dann das letzte auf Hochdeutsch. Wo bleibt da die Stringenz?

ShoottheSatellite

CE: Shoot the Satellite, die One-Man-Show des Abends. Das Publikum ist gebannt, geht mit, er überzeugt vom ersten Ton an. Schon jetzt der Act mit dem meisten Publikum. Der Typ kann richtig was, haut mal einfach gleichzeitig in die Saiten und Tasten. Zudem lässt er das Ganze ziemlich easy aussehen. Qualitativ liefert Shoot the Satellite alias Thomas Seidmann bis jetzt definitiv die beste Show ab. Das feiern sogar die hormongesteuerten Teenies. CO: Echt beeindruckend, dass er alleine so einen psychedelischen Electro-Sound produziert. Man käme nie auf den Gedanken, eine Band zu vermissen. Würde lieber noch mehr tanzen und zuhören, als nebenbei zu schreiben. Stimme aus dem Publikum: «Das ist ein Bandcontest, der ist doch keine Band!» Unsere Meinung: Wenn einer alleine besser klingt als alle anderen Bands zusammen, hat er es mehr als verdient, mitzumachen & auch zu gewinnen. CE: Zum Schluss eine Liebesschnulze für alle Verliebten. Es soll ihm verziehen sei … CO: Da lässt Shoot the Satellite die Menge mitsingen, was auch halbwegs geklappt hat. Die Line: «Le soleil est mon ami et la lune est ma soeur». Ist jetzt nicht so ein ausgeklügelter Text, aber naja. CE: Musikalisch bringt Seidmann jedenfalls genau das, was die Menge will. Er kann live begeistern, man kann sich seinen Sound aber genau so gut im Radio oder auf einer CD vorstellen. SR: Wenn der nicht gewinnt, fresse ich nen Besen.

Joke

SR: Weisst du jetzt, wieso, Carina?

NoKingsNoSlaves

CO: Die Entscheidung ist noch nicht gefallen! Zum Abschluss spielen No Kings No Slaves. SR: Ganz in Weiss! CE: Die härteste Band des Abends. Melodischer, gefühlvoller Metal. Ich frage mich wirklich, woher die Jungs so viel Energie haben, gleichzeitig zu headbangen, Instrumente zu spielen bzw. singen und dazu auf der Bühne herumzurennen. Sie haben sich wirklich gut aufeinander abgestimmt, jeder Ton sitzt. Moshpit-Alarm. Der Boden der Schüür bebt. CO: Schade, geht der Gesang des Gitarristen ein wenig unter aufgrund des Frontmannes. Der Sänger wiederum ist bei der Ansprache schon heiser & sein Kopf knallrot. 100% Power! Die Reperatur der gerissenen Saite wird sogleich mit Drumparts überspielt. Und jetzt taucht auch noch ein Samichlaus auf für eine Stagedive-Einlage!

SamichlausSprungfeder

SR: An Ideen mangelt es den Bands heute offensichtlich nicht. CE: Obwohl Metal nicht gerade Massen-Musik ist, kommt die Band beim Publikum ziemlich gut an. No Kings No Slaves haben einen würdigen Abschluss des Abends hingelegt.

Alle: Und dann endlich die Preisverleihung! Zu 75% Prozent entschied die Meinung der Jury, zu 25% jene des Publikums. Es wurde eng zwischen dem ersten und zweiten Platz, aber die Würfel sind gefallen: 1. Platz: Shoot the Satellite 2. Platz: No Kings No Slaves 3. Platz: The Schorchettes Die Kulturteil.ch-Redaktion gratuliert den Gewinnern und auch dem Team um Marquito Müller, das eine gelungene Sprungfeder organisiert hat. Wir freuen uns auf die kommende Ausgabe im Jahr 2016!

Wer Shoot the Satellite verpasst hat, kann ihn am SA 19. Dezember an der Plattentaufe des Luzerner Rocktrios Who's Elektra live im Klub Kegelbahn erleben.

Seidmann