Sound'n'Streetart'n'Sonstiges im Sommerglück

Industriestrasse, EWL Areal, Schüür, Kleintheater, Uferlos, 10.09.2016: Wenn sich das Tribschen-Langensand-Gebiet Anfang September mit Menschenmassen füllt, ist wieder Glücklich Festival. Auch in seiner 2016-Ausgabe protzte der In- und Outdoor-Event mit einem heissen Lineup. Und dieses durfte sich in bester Sommerlaune präsentieren.

Wettertechnisch hatte das Glücklich Festival nebst dem Sedel Open Air endlich jenes Glück, welches dem Begriff «Festivalsommer» gebührt. Herrliches Wetter = Heerscharen von Besucher_innen. Vor dem EWL-Areal stauten sich bereits die parkierten Drahtesel, Industriestrasse und Umgebung füllten sich rasant. Was das Glücklich Festival seit jeher bietet, ist ein tolles Konzert- und Partyangebot: Unzählige DJs und Bands sorgen bereits ab dem früheren Nachmittag für ordentlich Programm, was sich jeweils bis in die frühen Morgenstunden zieht. Organisiert wird der Event vom Verein Glücklich Events, mit im Boot sind unter anderem Vertreter der Gewerbehalle oder der Modul AG. Dabei öffnen nicht nur Restaurants und Läden wie das Prizzi, das Grottino 1313 oder die Sinnlicht-Lokation ihre Pforten für Musik. Nein, auch in der Schüür, im Uferlos oder neu im Kleintheater kann tüchtig gefeiert werden. Bei dem Anlass gibt es inzwischen so viel zu sehen und zu erleben, dass man gar nicht mehr weiss, was er eigentlich ist. Streetart, Marktstrasse, Fressstände, Bühnen für Jazz über Pop und Electro bis World... Man kam sich vor wie am Sziget-Festival im Miniminimini-Format, so prall gefüllt präsentiert sich das Glücklich Festival. Ein paar Highlights finden sich denn in den folgenden Zeilen.

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Ab 22 Uhr legte Pablo Nouvelle auf der EWL-Hauptbühne mitsamt Band für den finalen Akt los. Der gutgelaunte Sample-Synthie-Zauberer erzählte von seiner Beziehung zu Luzern, wo er und seine hervorragenden Musiker – Long Tall Jefferson an der Gitarre und Rio am Schlagzeug – sich kennengelernt haben. Das Trio ist inzwischen europaweit unterwegs, gehört zu den aufstrebenden Acts der Schweizer Szene; dementsprechend gross war der Besucherauflauf. Die Besucherschaft verwirrte jedoch. Während sich in den hinteren Reihen die Leute aneinanderdrängten, oftmals auch, um den Streetartists zuzuschauen, herrschte vorne Platz. Viel Platz. Da schien gerade in der Frontrow der Smartphonebildschirm spannender zu sein als die Performer auf der Bühne. Schrecklich, vom aufsteigenden Stimmschwall gar nicht zu reden. Frontmann Fabio Friedli machte gute Miene zum bösen Spiel und versorgte wenigstens jene Personen mit seiner tollen Musik, die auch tatsächlich deswegen gekommen sind. Schnell weiter zum nächsten Ort, so ein Bild ist keine gute Werbung für Luzern. img_3117

Um 23 Uhr betrat mit Evelinn Trouble eine der zurzeit besten Schweizer Musikerinnen die Bühne des Grottino 1313. Das Lokal eine Wucht, die Bühne mitsamt gutem Soundsystem ausgestattet und ein ungemein zuvorkommendes wie motiviertes Barpersonal: Konnte ja nur gut kommen. Für die grossartige Musik auf der Bühne sorgte La Trouble dank einem abwechslungsreichen Set aus neuen und alten Songs. An gleich fünf Synthies der gnadenlos gute Oli Zurkirchen, hinter den Kesseln neu Paul Amereller, Vorzeigedrummer der jungen Zürcher Jazzszene und am Bass Flo Götte, einer der spannendsten Schweizer Jazz- und Rockbassisten, der übrigens die hiesige Jazzschule absolvierte. img_3138

Gerade letzterer erwischte jedoch keinen guten Abend, hatte er sich doch mit dem Brotmesser kurz vor dem Gig richtig fest in den Finger gehauen. Dementsprechend gab es während den Ansagen eifrig Putzsessions, um den Blutschwall auf den Instrumenten in Grenzen zu halten. Ein paar freche Sprüche von der Frontfrau zum zugegeben lustig-makaberen Spektakel und prompt hatte die Züri-Bern-Combo das Publikum auf ihrer Seite. Nur... Hier hielt sich jenes zahlenmässig ziemlich in Grenzen; der Eingang zum Grottino 1313 war trotz einer marginalen Hinweistafel immer noch gut versteckt, gewisse Konzerthungrige verpassten den Auftritt gar. Immerhin: Begeistert war die kleine Zuhörerschaft am Schluss – so eine Show kriegt man in Luzern nicht alle Tage. Und die Trouble-Truppe schien ebenfalls Spass zu haben: [youtube YhsiRXK793E nolink] Gleich im Anschluss folgte mit dem Zürcher Duo None Of Them ein Überraschungsgig; die in der Leuchtenstadt (noch) wenig bekannte Formation brachte die verbliebenen Besucher_innen ordentlich zum Tanzen mit ihren punkigen Electrotracks. Wow! Überhaupt stand spätestens ab jetzt die elektronische Musik im Zentrum, wie um um halb drei Uhr morgens in der Schüür, wo Len Sander aufspielten. Die Elektropop-Zürcher beeindruckten durch Präzision und eine oppulente Lichtshow. Doch sogar hier waren die Ränge nur noch marginal und etwas desinteressiert besetzt – lag es daran, dass um diese Zeit Luzern halt doch nicht mehr so Live-Musik-tauglich ist? Oder dass das Publikum müde war nach der schieren Zahl an unzähligen Eindrücken des Glücklich Festivals? Wie dem auch sei: Unglücklich ging hier auf jeden Fall niemand nach Hause. img_3162