Some time, not all the time

Eben noch im Internet, jetzt schon in Luzern: Hanne Hukkelberg. Am Sonntag abend spielte die Norwegerin im Südpol.

Jetzt müsste man wissen, wie man dieses Konzert beschreiben soll. Gut. Also links und hinten waren Gitarre und Bass, rechts hinten stand das Schlagzeug, davor das Keyboard und in der Mitte das Mikrofon für Hanne Hukkelberg, die im kleinen Blauen dahinter Platz nahm, durchaus ohne die aus der Promotion bekannte Pelzmütze, die ja so ein verschrobenes Singer/Songwriterding hatte erwarten lassen; eine Musik, die sich im Idealfall ganz weit weg von Sophie fuckin’ Zelmani und ganz nahe zur grossen Stina Nordenstam bewegen könnte. Ein bisschen Erwartung war also schon in the air; wer am Sonntag abend noch rausgeht, tut das ja in der Regel nicht, weil er wirklich will, sondern in der nackten Panik, das Konzert des Jahres zu verpassen. Eine Handvoll Songs auf Myspace, ein anmächeliger Text im Monatsprogramm des Veranstalter («CocoRosie»! Wirkt immer!!): Schon rennen 40 Leute los. Früher gab das schöne Barkonzerte in der Boa, die man spät und betrunken wieder verliess. Heute setzt man sich in der grossen Südpolhalle auf den Boden, streckt die Beine aus und guckt andächtig der Erscheinung auf der Bühne. Wie sagte Bob Dylan: There are reasons for that, there are reasons for this / I don’t know them, but I know they exist.

Was dann los war: Songs, die kaum richtig in die Gänge kamen, aber wenn doch einmal, waren sie gleich grossartig. Da gab es kurze Ekstasen aus vertrackten synthetischen Grooves. Da gab es Gitarren, die splatterhaft nach den Melodien schnappten, und kurze, flammende Industrialhöllen. Da gab es himmelschreiende Gesänge, die auf dem Kulm der Melodie für die Ewigkeit kristallisierten, und Harmonien, die Abgründe aufrissen. Aber eben, wie schon Bob Dylan sagte: Some time, not all the time. Übersetzt: Alles immer nur für ein paar wenige kostbare Sekunden, für eine fantastische Coda, für ein überwältigendes Crescendo. Und dazwischen: Mühsam nach Spuren von Avantgarde abgeklopfte Melodienkonstrukte. Amorphe psychedelische Diarrhöe. Singsang aus dem Jazzworkshop der Folkakademie. Hanne Hukkelberg und ihrer Band gelang es übers ganze Konzert nie, ihre Songs in einen Flow zu bringen, eine Intensität zu erspielen, die originellen Wendungen der Songs mehr als originell, nämlich zwingend klingen zu lassen. Seltsam das, schwer zu beschreiben. Vielleicht hatte das Schlagzeug einen schlechten Tag, oder die Gitarre stand üblicherweise rechts und das Keyboard links, und als man es merkte, war es zu spät. Wer weiss. Oder vielleicht war das ein ganz normaler Abend, und löst Hanne Hukkelberg die Versprechungen von Myspace ’n’ Pelzmütze erst noch ein. Und irgendwann, mitten in der Arbeitswoche, und irgendwo, wo der Bandniteliner für einen Abend hält, macht es klick oder wusch oder woaaah, und alles wird gut. No Limit.