«Soll ich jetzt lesen?»

Die grosse Lesung im Rahmen von Luzern bucht brachte am Samstag unter anderem Peter Bichsel ins Kleintheater.

Nach ein, zwei Minuten des eher verkrampft wirkenden Frage-Antwort-Spielchens zwischen Moderatorin Martina Kuoni und Peter Bichsel begann man den bald 77-jährigen tatsächlich zu verstehen. Ein nötiger Vorlauf, denn von den drei Texten, die Bichsel danach las, hätte man keine Sekunde verpassen wollen. Auch in einem Alter, in dem nach eigener Aussage sogar die Schüler des ehemaligen Lehrers im Rentenalter sind, bewahrt sich Bichsel eine Art kindliches Staunen. Das ist keiner, der glaubt, Antworten zu haben. Es ist einer, der schlicht so zu schreiben scheint, wie er denkt. Einfach, manchmal bis an die Grenze des Naiven und ebenso ehrlich. Einer, der seine Sehnsüchte und sein Fernweh lieber daheim geniesst, anstatt seine Seifenblasen den Gefahren der Realität auszusetzen. Ein kauziger Herr mit einem ausgeprägten Sinn für das Absurde. Wie Bichsel etwa im ersten Text, den er vorlas, beschreibt, wie er mit einem Mexikaner in einer Bar in Kentucky sitzt, und sich dieser ehemalige Matrose der Handelsmarine plötzlich zu erinnern glaubt, damals oft im Hafen von Bern gewesen zu sein, von dieser einen Bedienung in dieser einen Spelunke zu schwärmen beginnt («und ich sage gelassen: die Jane»), Bichsel freundlich beschliesst, nicht zu schulmeistern, sich plötzlich dabei ertappt, wie er sich nun ebenfalls nach dem Hafen von Bern sehnt und zusammen mit seinem neuen Amigo im Fernweh nach einem imaginären Ort schwelgt, das hat eine ganz eigene und ganz einzigartige Mischung aus Komik und Tragik. Und ist in ganz eigener und ganz einzigartiger Art und Weise wunderschön. Auch zum Schluss gab es noch einmal eine kleine Plauderei, die diesmal beinahe satirische Züge trug. Kuoni gelang es nicht, Bichsel aus der Reserve zu locken, stattdessen musste sie ihm wiederholt das von ihm wieder auf den Tisch gelegte Mikrophon in die Hand drücken. Zunehmend ausufernde Fragen à la: «Sie sagen ausdrücklich, es sei eben keine Blütensammlung, sondern es sei die Summe ihres Werkes. Sind sie da einverstanden?», die neueste Bichsel-Publikation «Das ist schnell gesagt», betreffend, trugen ebenfalls nicht gerade zu einer lebhaften Diskussion teil. Eine solche zustande zu bringen, dürfte allerdings ohnehin nahezu unmöglich gewesen sein. Peter Bichsel ist eben ein komischer Kauz. Im allerbesten Sinne.