Singende Alice im Wunderpool

Neubad, 27.2.2016: «Ob Traum oder nicht, für alle, und insbesondere für Sie, liebe Zuschauer, soll während den nächsten Stunden nur Eines gelten: folgen Sie einfach dem weissen Kaninchen und verstehen Sie die Welt nicht mehr ... » – so lautet die Devise im Programmheft. Liebend gern.

(Fotos: Filip Holecek)

Ob wir überhaupt die reale Welt abseits von Alice im Wunderland verstehen ist eine andere Frage. Die Geschichte von Lewis Carroll (eigentlich Charles Dodgson) und ihre Absurditäten lassen uns dies zumindest für einige Zeit glauben. Was da geschieht ist Nonsense-Phantastik vom Feinsten! Und diese Prise Verrücktheit scheint in den heutigen, durchorganisierten Alltagsstrukturen durchaus Anklang zu finden. Grinsekatze: «Wir sind hier nämlich alle verrückt. Ich bin verrückt. Du bist verrückt.» Alice: «Woher willst du wissen, dass ich verrückt bin?» Grinsekatze: «Wenn du es nicht wärest, dann wärest du nicht hier.»  

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Die (Nicht-)Handlung der Geschichte ist wohl den Wenigsten unbekannt: Alice folgt einem ominösen weissen Kaninchen in eine Schlucht, die sich als verzerrte Gegenwelt entpuppt. In dieser begegnet sie mehreren obskuren Charakteren, lernt diverse «unwichtige Wichtigkeiten» und bietet der affektierten Herzkönigin Paroli. Inwiefern die Geschehnisse der Wirklichkeit entsprechen, bleibt am Schluss offen. Wie funktioniert nun diese eher nicht-stringente Handlung von Alice im Wunderland in einer Opernadaption (wenn wir ehrlich sind, dann sind Opernhandlungen doch ansonsten eher nicht so komplex)? In ihrem Bachelorprojekt nimmt sich Maja Bader dieser Herausforderung an und bringt Carrolls skurrile Geschichte auf die Bühne, beziehungsweise in den Neubad-Pool. Die Wahl des Aufführungsortes entpuppt sich dabei als äusserst ideal für dieses Vorhaben. Oder könnten Sie sich in Luzern ein schöneres Wunderland vorstellen?

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Die Neugierde bezüglich der Umsetzung der doch relativ vielen Skurilitäten, die die Geschichte hergibt, wird durch ein grosses Mass an Kreativität gestillt (beispielsweise ist Klein-Alice eine Barbiepuppe). Die Darsteller meistern nicht nur die fliegenden Figurenwechsel auf grossartige Art und Weise, sondern schaffen es zudem, die jeweiligen Rollen ungekünstelt und äusserst witzig zur Geltung zu bringen. Insbesondere das weisse Kaninchen wirkt in seiner menschlichen Version doch wirklich sehr «hasig» (Timothy Löw). Pathetische Momente gibt es so gut wie nicht – bei einer Oper eher eine Seltenheit. Die gesungenen Passagen fügen sich schicklich in die gesprochenen, auch wenn der Wechsel von Englisch zu Deutsch teilweise leicht irritierend wirkt. Die Klavier-Melodien von Robert Chauls umrahmen die Darbietung auf äusserst angenehme Weise und geben dem Stück die nötige Spannung und Verspieltheit.

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Durch den Fokus auf die relevanten Schlüsselszenen bleibt die Handlung greifbar und verständlich. Da stören auch die zeitweise etwas unverständlicheren Gesangssequenzen weniger. Pool, Springbrett, Rutsche und weitere Equipments werden geschickt integriert, sodass neben einer gelungenen Aufführung wiedermal vor Augen geführt wird, wie vielseitig und kreativitätsfördernd die Räumlichkeiten des Neubads sind. Alice im Wunderpool, halt!

Das Stück läuft noch heute Nachmittag (ausverkauft) und am 2.3. im Neubad Luzern. Alice: Maja Bader Queen of Hearts, March Hare, Cook: Eva Herger White Rabbit, Cheshire Cat, Dormouse, Mock Turtle: Timothy Löw Duchess, Mad Hatter, Gryphon, King of Hearts: Benjamin Widmer Pianistin: Thora Gunnarsdottir Regie: Andrew Dunscombe