Schweizer Nachwuchstalente im Filmschaffen

Bourbaki Luzern, 18. und 19.09.2015: Das Schweizer Jungfilmfestival Luzern – «Upcoming Film Makers» – hat die talentiertesten Jungfilmemacher der Schweiz ausgezeichnet. Bereits zum zwölften Mal fand der Event statt und ist noch immer ein Geheimtipp.

(Bild Mitte: Mirjam Steffen)

28 Kurzfilme wurden am Freitag und Samstag am Schweizer Jungfilmfestival Luzern – «Upcoming Film Makers» – gezeigt. Es ist Kurzfilmnächten eigen, dass durch die vielen und schnellen Wechsel an Themen, Umsetzungen und Herangehensweisen schnell ein spannendes Programm entsteht. Ein Kurzfilmfestival mit dem gemütlichen Bourbaki-Ambiente müsste deshalb einiges falsch machen, um dann doch zu enttäuschen. Das Jungfilmfestival enttäuschte nicht, im Gegenteil: Die Kurzfilme waren meist grossartig. Beeindruckend war die Abwechslung sowohl der Machart als auch der Inhalte. Ebenso beeindruckend war die hohe Qualität der Filme und nicht zuletzt das Engagement der Veranstalter und Moderatoren. Vielen Regisseuren stand das professionelle Equipment der verschiedenen Hochschulen zur Verfügung und sie wussten dank Studium auch, dieses gekonnt einzusetzen. Trotz gewissen Qualitätsunterschieden wusste kein Film zu enttäuschen, jeder hatte einen persönlichen, mitreissenden Touch.   Sonderbare Aussagen bei der Podiumsdiskussion In einer Podiumsdiskussion am Samstag präsentierten die Filmschaffenden ihre Überlegungen und standen Antwort zu Fragen der Moderatoren und des Publikums. Eine der brisantesten Fragen war wohl, wie die Jury die unterschiedlichen Filme überhaupt bewerten wolle. Die Antwort war, dass man auf die Geschichte, die Stringenz der Umsetzung, oder die Emotionsfülle achten könne, eine Bewertung aber letztlich dem Geschmack überlassen bliebe. Letzteres hat befremdet.

01 - Dead Poets

Ob man Gedichte, Kunstwerke oder eben auch Filme überhaupt nach einem Massstab bewerten kann, ist wie bei «Dead Poets Society» mit Robin Williams (Bild oben) eine alte Frage. Natürlich lässt sich ein Film nicht ausschliesslich nach objektiven Kriterien bewerten, ohne dass ihm allzuschnell das Leben entzogen würde. Auf diese so offen und weitgehend zu verzichten, entzog der Jury aber die Professionalität. Zwei Wege hätten zu einer glaubwürdigen Preisverleihung geführt: Der erste wäre der einer Autorität, die mit ihrem Namen für eine bestimmte Qualität einsteht. Eine Bloggerin, ein Drehbuchautor und ein Preisträger gehören des letzten Jahres eher nicht in diese Kategorie. Den zweiten Weg hat sich die Jury selbst genommen, indem sie die sachlichen Kriterien aussen vor liessen oder sich zumindest bei der Podiumsdiskussion schlecht präsentierten. Diskutiert wurde auch, worin sich die einzelnen Filmschulen unterscheiden, wo der Kern eher auf dem Drehbuch und wo eher auf der Technik liege. Doch was nutzt der ausgeklügeltste Inhalt und die perfekte Technik, wenn man seinen Film nicht an den Mann, die Frau, bringt …

02 - Podiumsdiskussion

Vielleicht etwas zu ehrlich waren denn die meisten Antworten der Filmschaffenden. Ihre Filmideen entstanden vielfach aus dem direkten Verwandtschaftskreis heraus oder wurden gar durch Zufall entwickelt. Es wäre doch gerade das Ziel des Festivals, den Nachwuchstalenten eine Plattform zu ermöglichen, sich und seine Werke zu präsentieren und den Schweizer Nachwuchsfilm zu fördern. Dazu gehört aber auch das Werben für die eigene Sache. Das Gefühl festigte sich, die meisten Arbeiten waren bloss Mittel zum Zweck, für eine Arbeit erstellt und nicht im Idealismus des Schaffenden entstanden. Eine kleine Geschichte, ein Funken, ein spezifisches Engagement wäre bestimmt vorhanden, ansonsten kann man sich die meist herrlichen Filme nicht in dieser Form erklären. Dies kam bei der Diskussion aber bei den meisten Teilnehmern nicht zum Vorschein.  

Die Preisträger

03 - Blue Blue Sky

«Es war einmal ein Mädchen, das hat aufgehört zu sprechen. Es war einmal ein Haus, das hat niemandem mehr gehört. Aber das ist alles eigentlich gar nicht so wichtig.», erklärt die kleine Maria von ihrer ganz eigenen Welt. Mut, Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit sind die ausschlaggebenden Faktoren, die die Jury dazu veranlassten, «Blue Blue Sky» von Bigna Tomschin mit dem Luzerner Filmpreis 2015 zu honorieren. Auf Rang zwei der Luzerner Filmpreise gelangte «Blaulicht» von Roman Hodel und Lena Mäder, welcher den Besucher an verschiedenen Arbeitstagen von Unfallsanitätern teilhaben lässt. Ein Film, den Wes Anderson nicht besser hätte drehen können, nämlich «Von Faltbooten und Heringen» von Elena Brotschi, entführte auf einen Campingplatz der Komik und holte sich den dritten Platz. Christoph Saber erhielt den Publikumspreis für den Film «Discipline». Wie in einem kleinen Shop aus einem Malheur ein regelrechter Streit-Tumult entsteht, wird in diesem dargestellt. Das Publikum hat klar einen der unterhaltsamsten Filme zum Favoriten gewählt. Den Nachwuchsfilmpreis für Teilnehmer unter 20 Jahren ging an Yan Decoppet und Cedric Gottet für «Clean Dating». Wie eine Person mit Sauberkeitstick überhaupt einen Partner finden kann, dies zeigt der Film pointiert mit einem Speed-Dating. Vier Spezialpreise hat die Jury noch verliehen. So erhielt «Discipline» nicht nur den Publikums-, sondern auch den Spezialpreis der Jury. Für die beste Regie wurde Luca Zuberbühler mit seinem Film «Lothar» auserkoren. Die beste visuelle Umsetzung war «Belle comme un Cœur» von Gregory Casares, Frederic Siegel bekam für «Ruben Leaves» den Wow- oder Magic-Mushroom-Preis.   Ein fabelhaftes Festival und Geheimtipp Das Schweizer Jungfilmfestival Luzern ist wortwörtlich ein Geheimtipp: Klein und in einem familiären Rahmen hat es stattgefunden, Spass hat’s gemacht und so ziemlich geheim war es auch. Das Werbebudget des Schweizer Jungfilmfestivals ist wohl eher bescheiden, anders kann man sich nicht erklären, wieso es auch nach dem zwölften Jahr nicht bekannter ist. Das Jungfilmfestival ist eine ausgezeichnete Veranstaltung, die sich nicht zu verstecken bräuchte und mutig auftreten könnte. Jeder Stolz wäre bei einem solchen Programm nicht arrogant, sondern einfach nur angebracht. Umso unverständlicher ist die Zurückhaltung. Zu Tage kam ein ganz anderes Problem der jungen Filmschaffenden: Zum Filmbusiness gehört nicht nur, interessante Werke zu produzieren. Auch sich selbst und den eigenen Film präsentieren zu können, wäre eine wichtige Fähigkeit. Das Auftreten des Festivals und besonders auch der Regisseure bei der Podiumsdiskussion war nicht mehr mit schweizerischer Zurückhaltung zu erklären, sondern eine grandiose Untertreibung. So bleibt vom Schweizer Jungfilmfestival Luzern der Eindruck, ein packendes Programm gesehen zu haben, welches von der Jury aber nicht mit der nötigen Sorgfalt geehrt und zuletzt von den meisten Filmschaffenden selbst nicht mit der Begeisterung vertreten wurde, die man bei qualitativ so guten Filmen eigentlich erwartet hätte.