Schööf sind keine Herdentiere

Kleintheater, 06.03.2018: Die Luzerner Band Schööf war zu Gast in der Reihe «Dienstags_Jazz». Frontmann und Gitarrist Christian Zemp, die Saxofonisten Elio Amberg und Noah Arnold, sowie Schlagzeuger Amadeus Fries bewiesen: Herdentiere sind Schööf nicht, aber zusammenspielen, das können sie.

Minutenlang standen da Vierteltöne. Das Kleintheater flimmerte vor Klang, bis Amberg an der Bassklarinette, Arnold am Altsaxofon und Zemp an der Gitarre sich auf die Suche nach einer Melodie machten. «Lass uns unter Wasser Schokolade essen» lautete der Titel dieses feinfühligen Soundexperiments. Plötzlich setzte das Schlagzeug ein – Fries‘ klingende Kommentare führten ein verhalten-wildes Eigenleben.

Schon nach diesem Eröffnungsstück war dem gut besuchten Auditorium klar: Schööf sind keine gewöhnliche Musikerherde. Vielmehr begeben sich die vier mit ihren Instrumenten auf individuelle Entdeckungsreisen, Zemps Kompositionen scheinen hierfür eher Mittel als Bedingung zu sein. Es entsteht der Eindruck, dass der Schööf-Sound zu einem grossen Teil im Kollektiv erarbeitet wird; jeder bringt seinen Personalstil mit ein.

Komfortable Karawane? Nicht bei Schööf

Mit «Schüfeli und Bäseli – Büseli und Schäfeli» folgte ein Tune, das schon eher an eine musikalische Karawane erinnert. Arnold übernahm den Lead, breitete ein ausgedehntes Alto-Solo mit Multiphonics (er entlockt seinem Instrument durch bestimmte Griffe mehrere Töne gleichzeitig) und allem Drum und Dran aus. Initiiert von Zemps Gitarre folgte der Rest der Band mit einem stetig dahinschreitenden, stampfenden, groovenden Beat. Doch allzu lange ruhten sich Schööf nie in solch komfortablen Patterns aus; ein paar clevere Schlagzeug-Cues später ertönten Saxofon-Slaps sowie Bassklarinetten-Zischgeräusche noch und nöcher.

Die Veränderungen der musikalischen Faktur wurden jeweils von Visuals reflektiert, die auf die Bühne und somit auch auf die Band projiziert wurden. Savino Caruso liess grafische Schwarz-Weiss-Bilder über vier Stoffbahnen tanzen, die mal an verpixelten Teletext, mal an psychedelische Visionen erinnerten. Wegen ihrer Zweifarbigkeit, aber vor allem wegen Carusos musikalischem Gespür, boten diese Bilder eine attraktive Ergänzung zum Höreindruck. Das ist nicht selbstverständlich; viel zu oft lenken Visuals ab oder machen irgendwie keinen Sinn.

Die ersten beiden Stücke sind auf der ersten Schööf-EP zu finden, die 2017 Jahr erschien. Seither haben sie einiges durchgemacht – die letztjährige Tournee und eine einwöchige Residenz im Literaturcafé Biel gingen nicht spurlos an den Kompositionen vorbei. Dies zu hören ist eine Freude: Das «Schüfeli und Bäseli»-Thema erfuhr eine Erweiterung, das Klangbild ist tighter und zielstrebiger geworden.

Die EP «Kreidenfels»: hand cranked music box
Die EP «Kreidenfels»: hand cranked music box.

Die Schafe gehen auf Tour

Die nächsten zwei Stücke waren neu. Erstmals spielten sowohl Amberg als auch Arnold Tenorsaxofon, ersterer ohne, letzterer mit Mundstück. Verhaltene Strobos zu blau-rotem Licht zuckten über die Bühne. Nicht zum ersten Mal intonierte Zemp zahlreiche Gitarren-Flageoletts. Die neuen Tunes wirkten sperriger als die alten, noch nicht so gesetzt. Im Frühjahr gehen Schööf auf eine ausgedehnte Tournee, auf der die neuen Stücke wohl vollends einrasten werden.

Es folgte «Krapfen»: Zu diesem Song haben «Schööf» zeitgleich mit der EP einen verspielten Videoclip veröffentlicht, der sich sehen lassen kann.

Verglichen mit der Einspielung glänzte die Version im Kleintheater durch ultra-tighte Saxofone und präsenteres Schlagzeug. Auch die klangliche Balance hinterliess einen anderen Eindruck – alles klang enger verzahnt und eine Prise rockiger als auf der Platte. Wie ging das nochmals mit dem Wolf im Schafspelz?

Ein Bassklarinetten-Gitarren Duo war der folgende Titel «Gegen unerwünschtes Katzenverhalten». Da gäbe es ein Hormon, so Zemp, welches man in der Wohnung verteilen könne, um die Katze zu domestizieren. Die Bassklarinette röhrte, knatterte und fabulierte – mit domestizierten Büsis hatte das glücklicherweise gar nichts zu tun.

«Gueti Stöck mönd ned emmer läng sii.», sagte Zemp ein paar Sekunden später. Die rund 50 Personen im Publikum kichern – das eben gehörte Stück war nur 30 Sekunden kurz. Dafür war das nächste Stück ein gross angelegter Bogen aus Improvisation, Mikrotonalität und Minimalsounds.

Zum Abschluss dann «Kreidenfels». Der Titelsong der EP bildete einen perfekten Abschluss. Das Thema war im Vergleich mit der Aufnahme neu rhythmisiert. Zum ersten Mal kam fast ein Gefühl von Popmusik auf; es fiel nicht schwer, sich in dieser weiten Klanglandschaft einen dazusäuselnden James Blake oder Vergleichbares vorzustellen. Die Stoffbahnen drehten sich um ihre eigene Achse. Für die letzten zwei Minuten schaltete Fries mit einer plötzlichen Drum-Eruption einen Gang hoch und hob den Song auf eine dynamisch und energetisch völlig neue Ebene. Zugabe? Nicht nötig.

Schööf wie sie leiben und leben
Schööf wie sie leiben und leben.

Schööf on tour:

30.03.2018: Basel, OFFBAR
03.04.2018: Freiburg (DE), Jazz Ohne Stress
04.04.2018: Mannheim, MuHo
05.04.2018: Leipzig, Noch Besser Leben
06.04.2018: Berlin, Peppi Guggenheim

07.04.2018: Berlin, Donau115
09.04.2018: Biel, Living Room
10.04.2018: St. Imier, Espace Noir
31.05.2018: Luzern, Jazzkantine zum Graben

Der nächste Dienstags_Jazz im Kleintheater erklingt am 17.4.2018 mit Kappeler/Zumthor (Vera Kappeler: Piano/Harmonium, Peter Conradin Zumthor: Schlagzeug)