Schnellertollermeier: Acht Entwicklungsprozesse

Südpol Luzern, 24.02.-25.06.2016-: Acht Konzerte, drei Musiker, ein Ziel: Innerhalb von fünf Monaten erarbeitet das Luzerner Trio Schnellertollermeier neue Stücke und lässt das Publikum den Prozess mitverfolgen. Kulturteil.ch ist jeweils dabei und dokumentiert Beobachtungen, Eindrücke und Gelerntes in diesem Artikel, der jeweils aktualisiert wird.

24. Februar 2016, Künstlerwohnung Kollege Zihlmann hat mit seinem einleitenden Beitrag bereits viele wichtige Punkte der Reihe «Schnellertollermeier: Mal Acht» zusammengefasst. Das zentrale Fazit seines Textes kann wie folgt erfasst werden: Das ganze Konzert hindurch kommt nie das Gefühl auf, einer Band zuzuhören, die Fragmente oder Skizzen ausprobiert, sondern pfannenfertige Stücke präsentiert. Aber im Wissen, dass die drei Musiker hohe Ansprüche in ihr Schaffen setzen, werden sie noch weitere sieben Konzerte daran feilen. Den ganzen lesenswerten Artikel liest man hier. 23. März 2016, Südpol Club Die Strecke von Theater Pavillon, wo soeben noch Nik Bärtsch mit Studierenden der Musikhochschule Stücke performt hat, zum Südpol, die ist keine kurze. Aber trotzdem in zehn Minuten zurücklegbar, sehr zu Lasten des Atems. Die ausgepumpten Lungen vergass man aber sogleich wieder, als der Südpol Club betreten wurde. So schön hat sich die Venue noch selten präsentiert. Zwei grosse Teppiche, welche den Auftrittsbereich auf Clubboden bildeten, eine Pflanze, gemütliche Sofas, Tische und die eigentliche Bühne abgedeckt und zur Leinwand umfunktioniert: Da hat das Technikteam ganze Arbeit geleistet! Sogleich betraten die drei Musiker ihren Werkplatz, angekündigt von Organisator Remo Helfenstein. Und bereits nach dem ersten Stück erschien das eingangs erwähnte Zitat von Kollege Zihlmann wieder vor Augen. Wüsste man nicht, dass da ausprobiert und getestet wird, man würde in den seltensten Momenten an eine musikalische Werkprobe denken. Doch wie genau funktioniert dann das Konzept dahinter? Im Prinzip verbinden Schnellertollermeier Ideen und Skizzen zu Songs – die Band spielt und spielt und spielt, bis neue Wege und Verbindungen entdeckt werden. Für Profimusiker des Kalibers Schnellertollermeier ist das vermutlich wie eine Klettertour an einer neuen Wand: Man muss die richtigen Steine zum Greifen finden. Trotzdem gibt es von Konzert zu Konzert Veränderungen, wie das letzte Werk «Rights» bewies, welches bereits in der Künstlerwohnung aufgeführt wurde. Dieses klang nämlich im Vergleich zu den vorherigen Tracks gerade in den Übergängen wesentlich ausgefeilter und die brechend harten rhythmischen Breaks bliesen einmal mehr den Verstand weg. Zusammengefasst ergab sich eine Wanderung zwischen zwei Welten: Einerseits wurden Parts im Vorfeld eingeübt. Andererseits gab es Skizzen, die kurz vor Konzert geschrieben und mittels Impro ausgebaut wurden. Eine Mischung aus Freier Improvisation und Instant-Composing mit dem Ziel, gute Musik zu spielen.

SchellenkranzSchnellmann

Die immer wieder leisen, oft repetitiven Pattern gefielen hierbei ganz besonders, nahmen einen meditativen Klangcharakter ein und erinnerten an ihre Brüder und Schwester auf der monumentalen Platte «X». Doch auch neue Einflüsse erhielten Platz, was ein ausgedehnter Perkussions-Part bewies. Im Detail faszinierten zusätzlich die Spieltechniken – ausgedehnte Flageolett-Passagen, untermalt von minimierten Schlagzeugbeats, stets zwischen Sound und Groove. Und insbesondere die Effektgeräte-Einsätze des Manuel Troller, der zugleich bewies, dass nicht das Gerät die Stärke eines Gitarristen ausmacht, sondern der Gitarrist selber. Was Troller nutzt – viele Hall-, Delay- und Verzerrgeräte – ist eine ausgewählte, genial konstruierte Pedalboard-Version, die durch seine Technik und verschiedene Zusätze wie beispielsweise Metallplektren das Gitarrenspiel auf eine neue Ebene hebt. Doch kriegt das Publikum denn nun ein Konzert zu sehen oder eine Probe? Das ist eigentlich irrelevant; ein Entwicklungsprozess ist vorhanden, das Spektakel sowieso. Und eine auditive Werkschau, wie man sie selten erlebt hat. 30. März 2016, Mittlerer Saal Konzert Nr. 3 liess im minimal eingerichteten Mittleren Saal des Südpol neue, spannende, teils fast schon banale Erkenntnisse zu. Eröffnet wurde mit den Stücken «Rights» und «Round». Ersteres hat sich weiterentwickelt, gerade punkto Länge – mehr Breaks, mehr Kraft. Faszinierend, was die drei gut beschäftigten Männer in nur einer Woche erschaffen haben. Dabei fiel auf: Schnellertollermeier arbeiten mit Cues! Bisher nie aufgefallen. Das Perkussionsteilchen spielte das Trio diesmal mit den Händen – dem natürlichsten Perkussionsinstrument des Menschen –, was bei einem Teil der zahlenmässig gewachsenen Zuhörerschaft für Lacher sorgte. Zudem wurde erstmals ersichtlich, dass auch Fehler passieren (wenngleich sehr selten).Und genau in diesem Moment kam wieder die Eingebung: Das Publikum befindet sich zusammen mit der Band in einem laufenden Entwicklungsprozess. Hier wird ausprobiert und getestet; wo das getan wird, können auch Augenblicke passieren, die noch nicht so stark wirken wie andere. Und gleichermassen ergeben sich grossartige Momente auf beiden Seiten. Jenes Verdikt zog man spätestens, als der Nachbar – ein erfahrener Kulturjournalist – sich zu einem rüberlehnte und flüsterte: «Grandios, oder?»  

Die weiteren Daten: 27. April, 3. Mai, 1., 15. und 25. Juni, jeweils 21 Uhr. Zudem tritt Manuel Troller mit dem Literaten Michael Fehr auf: an den Stanser Musiktagen mitsamt Andi Schnellmann (eb) und Julian Sartorius (dr) am 6. April und auf der Südpol-Bühne für ein «musikalisch-literarisches Ereignis» am 10. (Duo) und 11. Juni (Band).