Schatten über den Funken

Lidowiese, 19./20.8.2016: Es hat wiedermal gefunkt am Luzerner Arm des Vierwaldstättersees – musikalisch zumindest. Ansonsten schien die diesjährige Ausgabe des 3fach-Festivals «Funk am See» vom Pech verfolgt: Helfermangel im Vorfeld, Bruchlandung einer Band und irreführende Wettervorhersagen.

(Fotos: Silvio Zeder)

Der Freitag Der Funk am See-Freitag: Die ersten Klänge des Luzerner Trios TOUCH bahnten sich ihre Wege durch die Menge. Führende Bassmelodien, untermalt von Gitarrenlinien und feinen Drum-Schlägen, weiträumigen Synthie-Klängen und dezenter Gesang. Auf einem Felsen zu sitzen und einer nebligen Stranddämmerung zuzusehen, hätte genauso gepasst, wie «an einem verregneten Abend mit dem Schatz im Arm auf dem Sofa ein Glas Rotwein zu trinken». Letzteres Stimmungsbild stammt aus einem Interview mit den Musikern selbst. Das freitägliche Vorabendambiente am Funk am See war ebenfalls stimmig: Die Wolken küssten die Sonne. Düster und schön – schön, weil düster! See Dann Her – fünf adrett gekleidete Herren aus Frankreich. Je mehr es zu dunkeln begann, umso enthusiastischer liess sich das Publikum von den funky-souligen Beats mitnehmen. Zudem versprühten die Männer im Anzug einen ungemein einnehmenden Flow. Sei es wegen der wiederholten Hüftschwünge, dem stets verschmitzten Lächeln, der instrumentalen Hingabe oder den ach so süssen Deutschversuchen mit französischem Akzent: «Donke fürch…Love». Bitte, gern geschehen! Kurz darauf die Schreckensnachricht eines jeden Festivalorganisators: LISS, die im Anschluss aufzutretende Band, erlebte eine Bruchlandung. Trotz allem waren die Musiker vor Ort – ihre Instrumente jedoch im kaputten Flugzeug. Als Alternative gaben die vier Dänen ein DJ-Set von sich. Die Ernüchterung war der Band anzusehen. Das Gehörte mutete zwar ganz anständig an, war aber nichts gegen einen Live-Auftritt. Liss So wurde es auch bald Zeit für das heimliche Highlight des Abends: Die Silent Disco. Soll heissen: zwei DJs, zwei Kanäle und kabellose Kopfhörer für die Partymenge, die sich in augenscheinlicher Ruhe dem Tanzparkett hingab und dabei entschied, welches DJ-Set es hören wollte. Was für so einige wohl eine Premiere bedeutete, entpuppte sich als Selbstläufer: Sobald die ersten Versuchskaninchen die Kopfhörer aufsetzten und das Tanzbein schwangen, wollten alle mitmachen. Das Konzept ging auf. Gute Soundqualität, viele Lachmomente, unterschiedliche Tanzstile und vor allem: keine gestressten Nachbarn! Dass man hingegen seine ID abgegeben musste, um die Kopfhörer überhaupt zu erhalten, sorgte für ärgerlich-lange Schlangen. Abgesehen davon hinterliess die Silent Disco aber einen durchaus positiven Eindruck und bildete eine interessante Abwechslung. Der Samstag Der Samstag wurde von den meisten vermutlich (oder hoffentlich) via Radio mitgehört. Lag es am «zu ausgetüftelten» Line-up, mit zu wenigen grossen Namen? Denn schaute man sich mal um, so fiel die auffällig kleine Anzahl an jüngerem Publikum auf. Die anwesenden, bekannten Gesichter aus der örtlichen Kulturszene sowie die sonstigen üblichen Verdächtigen reichten nicht annähernd aus, um das riesige Gelände zu füllen. Und zuallerletzt war wohl auch der Regen – wenngleich nicht ganz so stark wie erwartet – ein weiterer Grund für die mageren Besucherzahlen Erstmals entstand beim Konzert von Hanreti eine scheue, aber anschauliche Menschenansammlung vor der Bühne. Die aktuellen Kick-Ass-Award Gewinner hatten auch einige Neuheiten im Gepäck, die im Vorhinein ansatzweise geteasert wurden: Beispielsweise ein gemeinsamer Release mit Luzi und Mike von GeilerAsDu. Nach der Darbietung einiger Lieder vom  Debutalbum «Alt F» sowie neuen Tracks sah man auf einmal vier Bläser auf die Bühne marschieren – ein Teil von Brasscode, wie später vernommen wurde. Kurz darauf das bereits angekündigte Rapper-Duo. Die Zuschauer kamen in den Genuss eines bisher unveröffentlichten Dreier-Featurings, nach welchem das Konzert aber leider auch schon wieder zu Ende war. Es folgte Apokalypsen-Ambiente während der äusserst energiegeladenen Performance von LCone & Ali. Stets mit viel  Galgenhumor und Selbstironie gespickt, gaben die beiden Rapper eine überaus authentische Show ab. Und auch bei diesem Konzert gab es wie gewohnt das eine oder andere Featuring mit mehreren bekannten Gesichtern aus der Luzerner Rap-Szene wie Mimiks oder Effe. Wavering Hands machten im Anschluss den Regen fühlbar. Mit einer unglaublich intensiven Hingabe führte Sänger Rolf Laureijs durch das Konzert, welches er mit den Worten: «Rägnets immer no? – Macht nüd, passt jo» beendete. Gepasst haben die Wetterbedingungen auch während des Auftritts der inländischen Auslandslieblinge Klaus Johann Grobe. Krautrock-Grooves, stabiler Bass, Retro-Synthie-Riffs sowie eine ungemein sympathische Dynamik auf der Bühne führte nun endlich zu einem totalen Umschwung im Publikum. Spätestens während dieses Konzerts kam der Moment, ab dem man den Regen zu geniessen begann. Die immer wieder gern in Luzern gesehene Fribourger Band Pandour zog mit ihren schleichenden Acoustic-Electro-Beats anschliessend weiter an. Die zuvor störenden Regentropfen empfand man nun nicht mehr als Störung; eher hatte man nun das Gefühl, sie gehörten zur Einlage! Ein ähnlich spannungsgeladenes Set legte zum guten Schluss Klangkünstler Romare hin. Mal mit Gitarre, mal ohne beschallte er die noch übriggebliebenen Tanzenden… Bis ihm der Saft abgedreht wurde. Ein von Pechsträhnen überschattetes Funk am See ging zu Ende. Was lässt sich für ein Fazit ziehen? Das Line Up war auf jeden Fall vielversprechend – mit vielen musikalischen Leckerbissen aus nah und fern, die bei der «grossen» Zuhörerschaft jedoch nicht ganz zu ziehen vermochten. Schade… Die wenigen Konzerte am Freitag standen einem recht üppigen Programm am Samstag gegenüber – das riesige Festivalgelände einer vergleichsmässig kleinen Besucherschaft. Auffallen tat auch die kurze Dauer der jeweiligen Konzerte. Oftmals waren die 45-Minuten-Sets vorbei, als man gerade erst begann, in die Stimmung der Musik einzutauchen und diese zu geniessen. Ein Gratis-Festival wie das Funk am See ist löblich und beeindruckend. Und doch war wohl genau das Faktum Gratiseintritt für die Besucherzahl mitverantwortlich. Ein im Vornerein gekauftes Ticket erhöht den Anreiz halt doch, trotz negativer Wettervorhersagen aufzukreuzen. Bleibt zu hoffen, dass der historische Verlust nicht zu grob ausfallen wird und es weiterhin funken darf am Vierwaldstättersee.