Sartorius aus dem Häuschen oder: Wie man eine Hommage an unbewusst wahrgenommene Geräusche inszeniert.

Südpol Luzern, 08.06.2016: Im Vorfeld wurde vor allem gemunkelt: Was passiert wohl, wenn Theatermann Dimitri de Perrot gemeinsame Sache mit Schlagzeug-Guru Julian Sartorius macht? Viel Unkonventionelles – auch wenn nicht immer sichtbar.

Seit über 20 Jahren sind Martin Zimmermann & Dimitri de Perrot ein experimentierfreudiges, wohlbekanntes Schweizer Theaterduo mit internationalem Renommee. Nun kommt es zu einer Premiere, nämlich dem Einzelstück von Dimitri de Perrot im Kulturzentrum Südpol mit dem neologischen Titel «Myousic». Das Stück wurde in den vergangenen Wochen ebenda konzipiert und nun dem neugierigen, zahlreich erschienenen Publikum präsentiert. Rund 200 Personen strömten in den Saal, vorbei am minimalistischen und stark an eine Kunstinstallation erinnernden Bühnensetting, direkt auf die mit Lautsprechern und pilzartigen Leuchten präparierten Sitzreihen. «Stellen Sie sich vor, Sie besuchen ein Konzert und Sie hören nichts und sehen nichts – obwohl die Aufführung bereits begonnen hat.». Der erste Satz aus dem Programmheft brennt sich unmittelbar in die Erwartungshaltung ein und das Publikum lässt sich dementsprechend irritieren. Hat es schon angefangen? Gehört das Husten zum Programm? Ist die Flasche absichtlich umgefallen? Kommen die Geräusche aus den Lautsprechern oder von meinem Sitznachbarn?

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Ein gezimmertes, rund sechs Kubikmeter grosses Holzkabäuschen, gelegt auf eine Collage aus Anti-Rutschteppichen und dazu einig, verzwirbelte Tschinellen, die von der Decke hängen, bilden das Bühnensetting. Nun beginnt es im Kabäuschen zu rascheln und man merkt sofort: Da muss Julian Sartorius drinnen sitzen, der Mann, der schneller «trümmelet» als sein Schatten. Stampfen, Treten, Hämmern, Klingeln, Lachen und allerlei Gesprächsfetzen tummeln sich im Aufführungsraum. Nie ist man sicher, woher das Gehörte kommt. Leute schauen sich nervös um, beginnen selbst, Geräusche zu entwickeln und die ganz schlauen schliessen die Augen und geniessen. Plötzlich rollt – zuerst behutsam, dann eindringlicher – eine akustische Styropor-Lawine durch den Saal und hinterlässt dank eines raffinierten Mehrkanal-Tonsystems einen «Mittendrin-statt-nur-dabei»-Effekt. Ebenfalls grandios: Ein Remix aus lachenden (und weinenden?) Tonaufnahmen mit Beatboxcharakter, den Julian Sartorius aus seinem Kabäuschen hervorzaubert. In dramaturgischer Abfolge erklingen eindrückliche Geräuschkulissen, die an stürmende Seen, umtriebige Marktplätze oder tickende Zeitbomben erinnern. Gepaart mit einem subtilen Einsatz von Lichtquellen und dem Überraschungseffekt der tänzelnden «Pilzleuchten» hat sich das Stück «Myousic» als einstündige Soundperformance entpuppt, ohne überbordende Theatralik oder krampfhafte Konzertattitüde. Und wo war eigentlich Dimitri de Perrot den ganzen Abend?  :)

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Im Südpol wird das Stück «Myousic» von Dimitri de Perrot w/ Julian Sartorius noch am 9. Juni und 10. Juni 2016 aufgeführt. Danach folgt eine Tournee durch halb Europa. Mehr Infos auf: Zimmermann/Perrot