Rap kann auch Trübsal blasen

Südpol Luzern, 26.09.2015: Mit der Taufe von «Inoue» wurde eine weitere Scheibe im Nimbus der Luzerner Rap-Konjunktur auf den Weg geschickt. Doch was wird das für eine Reise, angesichts des trotz guter Musik durchzogenen Abends?

Mit der Plattentaufe von LCone, Ali und SAD schliesst sich ein Kreis. Im März 2014 kulturteilte Kollege Ruckli über den «2041»-Abend im Südpol-Club. Die Gruppenidentität des «041»-Rap-Konglomerats war noch relativ frisch. Seine Protagonisten liessen eine Albumveröffentlichung nach der anderen folgen: Mimiks, Marash & Dave, Emm x Kackmusikk (deren Plattentaufe im Mai 2015 leider kein KultUrteil erhielt), Moskito (mit GeilerAsDu-Mike als Backup-MC) und nun LCone in Zusammenarbeit mit dem Churer Rapper Ali und dem Berner Produzenten SAD. Das interkantonale Albumprojekt «Inoue» kann durchaus dafür stehen, dass «041» nicht bloss schaler Lokalpatriotismus ist. Es steht für eine in der Schweiz neu-, vielleicht einzigartige, aber sicher selbstbewusste Herangehensweise an die Kunstform Mundart-Rap. Was nicht mit einem einheitlichen Stil zu verwechseln ist. Die Innovationsvektoren streben eigenwillig auseinander. Der offensichtliche Kitt ist der unermüdliche gegenseitige Support (auf der Bühne, in Featurings, in Sachen Marketing), auf einer subtileren Ebene könnte man von einem (Achtung HipHop-Jargon:) «041»-Swag sprechen, der die Luzerner Rapper auch bei ihrem Schulreisli nach Zürich umflocht.

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Eingewärmt wurde das Publikum an der «Inoue»-Taufe von Marash & Dave, über deren Auftritt hier aus bahnbaulichen Gründen nichts weiter gesagt werden kann. Das Präsenteste im Südpol-Club war während der Spielpause die schimmernde Lache eines ausgeleerten Getränks mittig vor der Bühne. Kein Merchandise-Stand, keine optischen Extras, kaum Leute, irgendwo aus einer Konserve schnattert Nicki Minaj vor sich hin. Ereignislos und verschlafen plätscherts dahin. Während Ace Hoods Bugatti läuft, schleichen sich Ali und LCone auf die Bühne, stimmen mit dem Song ein, und gehen fliessend in ihr Konzert über. Hinter dem Mischpult steht der Luzerner DJ Still Phill (abwesend ist SAD). Dieser so ganz ohne Popanz «041»-untypische Auftakt gehörte womöglich zum Konzept. Viel eher scheint neben dem organisatorischen Minimalismus aber aufs Gemüt zu drücken, dass sich maximal drei lockere Reihen vor der Bühne des beschaulichen Clubs bilden können.

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Doch weit gefehlt, wer nun in der Taufe eine Trauerfeier vermutet. Zuvorderst nicht unwichtig, dass «Inoue» bereits am 12. September in Chur gebührlich und mit vollerem Haus begossen wurde. Vor allem aber beweisen LCone und Ali, dass sie auch unter diesen Umständen einwandfreien Rap abliefern können. Die Texte sitzen, der Ausdruck ist deutlich, das Zusammenspiel stimmt. SADs Beats sind livetauglich, die Bässe boosten einem schön an die Brust. Auch die Tontechniker haben hier saubere Arbeit geleistet. Statt Gruppenanimation gehen die MCs familiär auf die Zuhörer_innen ein und foppen sich kollegial. Statt Anreden wie «Lozärn», «linke Seite» oder «vordere Reihe» dominieren unüberhörbar Vornamen die Publikums-Interaktion. Besonders beeindruckend Alis Acapella-Solo gegen Ende der Show. Mit der ihn auszeichnenden und raumfüllenden Bärenstimme legt er dar, warum Rap auch ohne Instrumentals für Rhythm and Poetry steht. Unter gutmeinendem Licht war der Südpol an diesem Abend also der Geheimtipp für Rap-Liebhabende. Enden tut die Performance aber so unscheinbar und bedrückt, wie sie begonnen hat. Schnell ist’s leer, die Afterparty findet anderswo statt. Die Ambivalenz des Abends war schon in LCones Galgenhumor angelegt, kurz nachdem er die Bühne betrat: «Wer fo öich hed s'Album kauft?» (Etwa zehn Arme gehen in die Luft, also fast alle.) «Aha, das send also ehr gsi.»