Rant!

Lukaskirche Luzern, 27.08.2019: Zwei Schweizer Erstaufführungen umrahmten das Debüt der britischen Saxophonstin Jess Gillam. Ihre Energie, ihre Virtuosität und ihre Präsenz inspirierte zwei Tondichter zu eigens für sie komponierten Werke. Die Gewinnerin des «Classical Brit Award» liess alle Ängste und Sorgen für eine Konzertlänge auf der Strecke bleiben.

Bilder: Patrick Hürlimann

Der Blazer der 21-jährigen Britin glitzerte im Schein der Lichter, als sie die Bühne der Luzerner Lukaskirche betrat. Jess Gillam gestaltete am Dienstag das zweite Debüt-Konzert im Rahmen des Lucerne Festivals, welches sich dieses Jahr mit der Thematik der Macht auseinandersetzt. Begleitet wurde sie dabei von der türkischen Pianistin Zeynep Özsuca.

Es stellt sich die Frage, wie eine junge Saxophonistin zum Thema der Macht passt. Steht die Macht des Instruments, das seit dessen Erfindung immer mehr an Bedeutung gewann, im Zentrum? Oder zeigt sich die  Macht im beeindruckenden Geschehen, das sich dem Publikum bietet? Kurz, kurios und verzerrt erklang zuerst die Schweizer Erstaufführung des Stückes «Snake and Ladder» für Saxophon und Elektronik, komponiert von der Britin Anna Clyne. Das Stück ist inspiriert von Jess Gillams virtuoser Spielweise als Saxophonistin.

Nach diesem knackigen Intro folgten die bekannten «rumänischen Volkstänze» von Béla Bartók. Die Kirche füllte sich mit dem warmen Klang des Sopransaxophons. Der dritte Satz, «Der Stampfer», wirkte wie eine Schlangenbeschwörung, dessen Wirkung durch die Farbenpracht der Kirchenfenster verstärkt wurde.

Jess_Gillam_Lucerne_Festival

In Alessandro Marcellos «Concerto in d-Moll für Oboe, Streicher und Basso continuo», bearbeitet für Saxophon und Klavier, entstand schliesslich eine interessante Kombination barocker Phrasierung und dem instrumentenspezifischen Klang, die erahnen liess, wie viele Türen es in der Welt der Barockmusik noch zu öffnen gäbe. War dies die Macht, die das Programm andeuten wollte? Die kontrastreiche Werkreihenfolge sprang von einem Abenteuer ins nächste und überraschte das Publikum immer wieder mit einer neuen Seite, die Jess Gillam dem Instrument zu entlocken vermochte.

Man merkte rasch, welche Begeisterung die junge Britin für Darius Milhauds Werk «Scaramouche» empfindet, als sie von ihrer Jugendband sprach, mit der sie regelmässig lateinamerikanische Musik auf der Strasse spielte. Der letzte Satz, «Brazilerira. Mouvement de Samba» schien die Zuhörer*innen nicht mehr ruhig sitzen zu lassen. Jess Gillam selbst tanzte förmlich auf der Bühne. Füsse wippten mit der Musik, Köpfe nickten im Takt und eine kollektive Erheiterung setzte nach dem Verstummen des letzten Tons ein. Tosender Applaus erklang im Kirchensaal.

Die Macht des Saxophons eine Vielfalt an Werken zu veranschaulichen und eine Bandbreite an magischen Momenten zu erzeugen lag vollumfänglich in der Hand der jungen Interpretin, die ihre Zuhörerschaft in ihre Welt der Musik mitzureissen vermochte. Mit der Schweizer Erstaufführung von John Harles «RANT!», was so viel bedeutet wie «Tobe!», rundete Jess Gillam das Debüt ab und hinterliess eine begeisterte Menge.

Lucerne Festival: Sommerfestival
Bis SO 15. September
Diverse Orte, Luzern

Die Rezension gefällt? Hier gibt's alle Texte von Janina Fink!