«Provenzhauptstadt»

Der Luzerner Béla Rothenbühler hat seinen ersten Roman verfasst. Er dreht sich in und um unsere Provinz, wurde jedoch zu rund drei Vierteln im Atelier in Chicago geschrieben.

Bilder: Nicole Brugger

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Dein Erstling, der Roman «Provenzhauptschtadt», erscheint Anfang des kommenden Jahres beim Verlag Der gesunde Menschenversand. Was kommt auf uns zu?

Béla Rothenbühler: Der Roman hat etwas von einer Abrechnung mit dem Kleinstädtischen und Kleingeistigen, dem Provinziellen eben. Es ist aber auch eine Abrechnung damit, dass es in der Provinz auch einfach zu wenig Leute gibt, die sich in den immergleichen Kreisen um sich selber drehen.

«Über die eigene Kleinstadt zu schreiben geht besser, wenn man sich gerade nicht selber in den gewohnten Kreisen dreht.»

Geschrieben hast du den Roman zu grossen Teilen in Übersee. Brauchte es die Distanz?

Es war bestimmt gut, weg zu sein aus der Bubble und so was wie eine Aussenperspektive einnehmen zu können. Über die eigene Kleinstadt zu schreiben geht besser, wenn man sich gerade nicht selber in den gewohnten Kreisen dreht. Aber es hätte nicht Chicago sein müssen, sondern gut auch eine andere Kleinstadt sein können.

Der Titel weist darauf hin: Der Roman wird auf Mundart erscheinen. Hat das Thema die Sprache bedingt oder war es umgekehrt?

Am Anfang stand tatsächlich die Lust an der Mundart. Als ich dann begann, im Luzerner Dialekt zu schreiben, lief es schnell auf kleinstädtische Figuren und Stereotypen hinaus, die sich hier bewegen. Eine Road-Novel beispielsweise würde ich kaum in Dialekt schreiben. Zur Lust an der Mundart kam aber auch, dass Der gesunde Menschenversand als Luzerner Spoken-Word-Verlag bisher keine Luzerner Autoren oder Autorinnen auf Mundart verlegt hat. Eine Lücke, die es zu füllen gilt. Aber natürlich soll das Buch nicht nur die hiesige Bubble erreichen. Man hätte es genauso gut in St. Galler Dialekt schreiben können – es würde auch so funktionieren.


Zur Person: Béla Rothenbühler kennt man vor allem als Dramaturgen und Autor der freien Theatergruppe Fetter Vetter & Oma Hommage und als Sänger der Band Mehltau. Daneben waltet der bald 30-Jährige als Liedtexter unter anderem für Hanreti und Me & The Magic Horses.


Provinz: Wie positiv, wie negativ ist der Begriff für dich aufgeladen?

Fragst du mich oder das Buch?

«Als Künstler, als Künstlerin kann man es sich in der Provinz ganz gemütlich einrichten.»

Ich frage dich.

Ich mag sie sehr. Aber nur, solange es möglich ist, immer mal wieder rauszukommen – für lang oder auch nur für kurz. Doch ich glaube, sowohl künstlerisch wie auch menschlich besteht die Gefahr, dass die Provinz uns dazu verführt, zu bleiben. Sie kann faul machen und behäbig.

Gib uns ein Beispiel.

Auch als Künstler, als Künstlerin kann man es sich in der Provinz ganz gemütlich einrichten, wenn man das «Game» erst mal kapiert hat – nicht, dass ich das hätte. Das birgt jedoch die Gefahr, dass die Gemütlichkeit einem den Hunger nimmt. Denn die Provinz bietet oft einfache Antworten.

Und positiv?

Da würde ich jetzt das Buch antworten lassen: Die Figuren sind ganz glücklich, in der Provinzhauptstadt zu leben. Aber natürlich ist die Abgrenzung von der echten Provinz, von den kleineren und abgelegeneren Orten, dafür wichtig. Mir persönlich gefällt, dass man bei einer Provinz immer erst entscheiden muss, wovon sie die Provinz ist. Für eine Politikerin ist Luzern die Provinz von Bern. Für einen Künstler ist sie die von Berlin, für einen Fussballfan ist Luzern die Provinz von München oder Mailand. Wie schön, dass wir selbst auswählen können.

Das Label geben wir uns also selbst? Geben uns das nicht die Grossstädter?

Die Leute aus Grossstädten, die ich kenne, sind dafür viel zu höflich. Ich denke, das müssen wir proaktiv selber tun und das Provinzielle an uns und unserer Stadt selbst ausstellen. Und reflektieren.