Prosit Neujahr mit Wolfgang und Gioachino

KKL Luzern, 01.01.2016: Das LSO begrüsst das neue Jahr mit zwei Konzerten im KKL Luzern. Am Freitag war die herausragende junge Sopranistin Julia Lezhneva zu erleben: «Tanti affetti» hiess das bunte Programm, das mit Kompositionen von Mozart und Rossini kurzweilig und beschwingt daherkam, jedoch auch einige innige Momente bereithielt.

Festliche Stimmung im Konzertsaal: Blumengestecke zierten ausnahmsweise die Bühne, der schwere Duft der Lilien erreichte selbst die hinteren Ränge des Parketts und James Gaffigan betrat die Bühne für einmal im Frack und nicht im ansonsten für ihn typischen, dunkelblauen Anzug. Mit Pauken und Trompeten begrüsste denn das LSO das neue Jahr. In der Ballettmusik aus Mozarts Idomeneo unterstreichen die beiden Instrumente den feierlichen Charakter der durchaus tanzbaren Musik. Ebenso tänzerisch leitete Gaffigan, der sich im klassischen Opernrepertoire wohlzufühlen scheint, sein Orchester, das gut gelaunt und mit viel Verve reagierte.

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Für Mozarts Konzertarie «Ch’io mi scordi di te?» – «Non temer, amato bene» gesellte sich zur Sopranistin Julia Lezhneva der Pianist Mikhail Antonenko. Dass ein Klavierpart in die Arie integriert ist, liegt an Mozart: Offenbar mochte er die Sopranistin der Uraufführung, Nancy Storace, so gerne, dass er sich kurzerhand eine Klavierstimme schrieb und das Stück der verehrten Primadonna und sich selber widmete. Antonenko begleitete Lezhneva transparent, perlend leicht und bescheiden – ein wunderbar gepflegter Mozart-Klang. Dass Lezhneva trotz ihres zarten Alters von 26 Jahren über eine ungewöhnlich farbige, reife Stimme verfügt, erwies sich bereits in dieser ersten Arie. Mit einer agilen, wendigen Neugier interpretierte Lezhneva darauf Mozarts gern und oft gespielte Konzertarie «Voi avete un cor fedele». Die Arie bildet ein sinniges Scharnier zwischen Mozarts brillanter, klassischen Ästhetik und dem affektierten, italienischen Belcanto-Repertoire Rossinis, das mit Vorfreude erwartet wurde. Nach der Pause folgte als Orchestereinlage Rossinis Ouvertüre zu Il signor Bruschino. Es erwies sich, wie wenig Aufwand von Nöten ist, um das Publikum in einem Konzert dieses Formats zum Schmunzeln zu bringen: Zunächst hatte Gaffigan seine Partitur zu drehen – offenbar lag sie verkehrt auf dem Notenpult. Dann steht in der Partitur an gewissen Stellen für die zweiten Violinen die Spielanweisung «col legno» – mit Holz. Das meint im Prinzip das Streichen der Saiten mit der hölzernen Bogenseite. Hier jedoch: Mit dem Holz auf den Notenständer klopfen! Sowohl der visuelle als auch der akustische Effekt waren durchaus amüsant. Kurz vor Schluss wurde dann «col legno» gar zu «a piedi» und das ganze Orchester stampfte den bereits erwarteten Rhythmus – herzhaftes Lachen (oder zumindest Kichern) und lauter Applaus waren die Folge dieser humoristischen Einlage. Lezhneva hatte nun ihr blassgoldenes Mozart-Kleid gegen ein rotes Rossini-Modell gleichen Schnitts eingetauscht, vermutlich ganz im Sinne der «Tanti affetti», so viele Gefühle! Die Arie «Assisa a’piè d’un salice» aus Rossinis Otello fungierte nach den zwei prunkvollen Konzertarien als ein eher verinnerlichter, intimer Kontrast, den Lezhneva rührend, fast kindlich-emotional und mit einer bezaubernden Naivität vortrug. Wurde sie zuvor vom Pianisten begleitet, übernahm diese Rolle nun auf bemerkenswerte Weise die LSO-Soloharfenistin Mahalia Kelz.

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Daraufhin eine etwas irritierende Orchestereinlage: die Gewittermusik aus Rossinis «La Cenerentola» – zu kurz für ein tatsächliches Intermezzo, aber das Konzert um einen Affekt bereichernd – hätte dramatisierender gespielt sein können. Möglicherweise war das Stück als eine kleine Pause für Lezhneva gedacht, denn was nun folgen sollte, war der titelgebende Höhepunkt des Konzerts: «Tanti affetti» aus Rossinis La dona del lago. Dieses Paradestück des Belcanto stellt hohe Anforderungen an die Sängerin, und Lezhneva sang mit einer Spielfreude, einer Agilità sondergleichen. Noch einmal zeigte sie ihre stimmlichen Register: in den für eine Sopranistin bemerkenswerten Tiefen von einer samtigen Dunkelheit und in den Höhen von einer weichen, goldenen Brillanz. Als Zugabe gab sie die vergleichsweise schlichte Arie «Deh vieni non tardar» aus Mozarts Le nozze di figaro. Diese machte die leise Enttäuschung über die kurzfristig aus dem Programm gestrichene Rossini-Arie «Nacqui all-affanno» um ein Vielfaches wett. Erneut bewies Julia Lezhneva, zu welchem Spektrum an künstlerischer Ausdruckskraft sie im Stande ist: Belcanto-Bravourstücke reiht sie mühelos neben Mozart-Perlen und bleibt dabei eine reizende, hochtalentierte Solistenpersönlichkeit.