Projekt «Löwenherz»

Kunsthalle Luzern, 04.05.2018: Das Löwendenkmal in Luzern wird 2021 zweihundert Jahre alt. Aus diesem Anlass ist das Mehrjahresprojekt «L21» unter der Leitung des freischaffanden Kurators Peter Fischer entstanden («041 – Das Kulturmagazin» berichtet darüber in der Maiausgabe). Eine erste Etappe bildet die Ausstellung «Löwensafari» in der Kunsthalle, die sich zwölf verschiedenen Künstlerpositionen rund um das Thema «Löwe» widmet.

Fotos: Gianna Rovere

Zu Ehren des bevorstehenden 200. Geburtstags des Löwendenkmal in Luzern tummeln sich verschiedenste Menschen in der Kunsthalle, wie die afrikanischen Tiere um das Wasserloch. Das Denkmal selbst wurde vom berühmten dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen geplant und vom Luzerner Gardeoffizier Carl Pfyffer von Altishofen in Auftrag gegeben – im August 1821 wurde es eingeweiht. Am Löwendenkmal führt heute der Heimweg der Zentralschweizer Künstlerpersönlichkeit Anton Egloff vorbei. In seinen Bildessays spielt Egloff in der Kunsthalle mit strukturellen Gesetzmässigkeiten von Bild und Text und der Frage «Löwendenkmal… und was denkt der Löwe?».

Initiantin des Projekts «L21»ist Alessa Panayiotou (ehemalige Leiterin der Kunsthalle Luzern), die auf der Suche nach Themen war, mit denen die Kunsthalle etwas zur Stadt Luzern beitragen könnte. Sie kam über den Begriff des Tourismus auf das benachbarte Löwendenkmal und hat dem Vorstand der Kunsthalle Luzern den Arbeitstitel «Löwenherz» vorgeschlagen. Unter diesem Titel fand ein vierjähriges Brainstorming statt. Nachdem die Finanzierung geklärt war, startete der Vorstand einen Aufruf, um die oder den geeignete*n Kurator*in für das Projekt zu finden. Aus den verschiedenen Anwärter*innen wurde Peter Fischer, freischaffender Kurator und ehemaliger Leiter des Kunstmuseums Luzern, auserkoren und bei einem ersten Gespräch mit dem Thema «Löwe» konfrontiert. Das Thema als Einstieg bietet sich an, da die meisten Menschen Assoziationen mit dem König der Tiere haben. So soll auch das Projekt «L21» für ein breites, mitunter nicht-kunstinteressiertes Publikum zugänglich sein.

Dementsprechend besticht die Ausstellung durch ein sehr vielfältiges Angebot an Werken und Kontexten. Es findet sich eine Mischung aus Exponaten aus dem sogenannten «Lion Call», wo Kunstschaffende bis über die Schweizergrenze hinaus dazu aufgerufen wurden, Projekte zum Thema einzureichen, und Künstler*innen aus dem Umfeld des Kurators. Der kulturelle Aspekt wird von verschiedenen Seiten beleuchtet und auch die Geschichte wird nicht ausser Acht gelassen. So ist der «Löwenmensch», ein Replika des auf der Schwäbischen Alb gefundenen Artefakts eine kleine Attraktion; das Original hat 40'000 Jahre auf dem Buckel und gehört zu den ältesten Kunstwerken der Menschheitsgeschichte.

LionmanIm Gegensatz dazu hat der japanische Künstler Tatsuma Takeda am Tag der Vernissage eine Skulptur vor Ort fertiggestellt. Er baute eine Spiegelinstallation, die aus einem grossen Löwen zwei macht – sinngemäss entspricht die Anordnung jenen Tieren, die im japanischen Shintoismus die Tempeleingänge bewachen. Eine weitere Skulptur ist die kleine, an einen Vogelkäfig erinnernde Installation des verstorbenen Künstlers Franz Eggenschwiler, der in den 1970er Jahren in Luzern arbeitete.

Löwe

Junge und alte Löwen

Am meisten Platz nehmen aber die drei ausgestopften Löwen ein, die in der Mitte der Kunsthalle auf einem grünen Podest stehen. Sie bilden das Setting der von Till Velten 2003 ins Leben gerufenen Löwensymposien, einem transdisziplinären Forum für Gespräche mit verschiedenen Gästen. Die Symposien geben Einblicke in das Wesen und die Bedeutung der Löwen. Hinter den drei ausgestopften Tieren steht eine kuriose Geschichte, denn zu Lebzeiten wurden sie vom Solothurner Bildhauer Urs Eggenschwiler als Haustiere gehalten und in Zürich an der Leine ausgeführt. Nach seinem Tod vermachte er die Löwen der Stadt Solothurn, die sie ausstopfen und auf dem Estrich des Kunstmuseums verstauben liess. Der Zustand der ausgestopften Tiere unterstützt die Annahme einer geringen Wertschätzung und kann als Symbol dafür gesehen werden, wie mit der Spezies heute umgegangen wird. Denn aktuell steht der Löwe auf der Liste der bedrohten Arten. Mit bereits ausgestorbenen Arten befasst sich der Schweizer Künstler Andreas Weber in seiner Audioinstallation «Chor der ausgestorbenen Tiere», welche die Kunsthalle in eine tierische Atmosphäre taucht.

Löwenohr

In den malerischen Positionen der jungen Künstler*innen Irene Bisang, Orphea Heutling und Christoph Beer werden Löwe und Mensch einander gegenübergestellt und in der Bronzeskulptur des iranischen Künstlers Hamed Rashtian verschmilz der Löwe mit der urbanen Erscheinung islamischer Architektur. Einen Bezug zur Kunstgeschichte bilden die grossformatigen Malereien des Kunstschaffenden Stefan à Wengen mit seinen Löwen als Begleiter des heiligen Hieronymus.

Löwe

BronzelöweBei dieser bunten Mischung aus jungen, alten, nationalen und internationalen Künstler*innen drängt sich die Frage auf, warum keine afrikanische Kunst gezeigt wird. Das aufgezeichnete Gespräch der beiden Schweizer Künstler*innen Andrea Iten und Max Spielmann dreht sich zwar um Höhlenmalereien in Botswana, aber eine zeitgenössische Position wäre in diesem Zusammenhang höchst interessant gewesen. Der Kurator Peter Fischer begründet, dass die Möglichkeiten dies nicht zugelassen haben.

Da es sich aber um den ersten Zyklus des mehrjährigen Projekts handelt, also um einen stetigen Prozess, werden Anregungen, Reaktionen und Inputs das Projekt bereichern und formen. So, wie die Untersuchungen der Künstlerin Katharina Swoboda bezüglich des kopierten Löwendenkmals in Atlanta noch lange nicht abgeschlossen sind, steht die konkrete Zukunft des «L21» Projekts noch in den Sternen und wir sind gespannt auf die Fortsetzung dieser Löwensafari.

Hinweis: Die «Löwensafari» läuft vom SA 5. Mai 2018 bis am SO 1. Juli 2018. Es finden zahlreiche Rahmenveranstaltungen statt. Weitere Informationen im Kulturkalender, auf der Homepage der Kunsthalle Luzern oder auf der «L21»-Homepage. Öffnungszeiten: MI bis SA, 15 bis 20.30 Uhr, SO 14 bis 18 Uhr