Neu ist immer besser...?

Der Architekturwettbewerb für das Luzerner Theater läuft. Die Stadt will das bestehende Haus zugunsten eines grösseren abbrechen. Darf sie das?

Die Stadt ging umsichtig vor. Für das Neue Luzerner Theater hat sie eine Projektierungsgesellschaft gegründet, in der auch der Kanton und die freie Theater- und Tanzszene vertreten sind. Sie hat eine Testplanung durchgeführt – drei Architekturbüros mussten herausfinden, ob sich das Theater erweitern lässt oder ob es einem Neubau weichen muss –, dann hat sie die Ergebnisse der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege vorgelegt und nach deren Empfehlung auch noch eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Auch der jetzige Architekturwettbewerb ist, wie es sich für eine so grosse öffentliche Aufgabe gehört, offen ausgeschrieben. Es kann also mitmachen, wer will. Und die Jury ist mit kompetenten Fachleuten besetzt. Also alles richtig gemacht?

Es wird ein grosses Gebäude am Theaterplatz; und zwar ein Neubau, der höchstens noch ein paar Teile des bestehenden Hauses verwendet. Die Testplanung und die Machbarkeitsstudie hätten nämlich, so steht es nun im Wettbewerbsprogramm, «eindeutig» gezeigt, dass ein betrieblich funktionierendes Theater in einem Erweiterungsbau nicht möglich sei. Deswegen sorgen sich die Denkmalpflege und der Heimatschutz um das Ortsbild. Das bestehende Theater ist zwar nach dem Brand von 1925 und den späteren Umbauten nicht mehr im schönen Originalzustand erhalten; aber darf man in Zeiten der Klimakrise überhaupt noch ein Haus abbrechen? Und ist es wirklich gescheit, ein so grosses Mehrspartenhaus inklusive Musiktheater an diesem prominenten Ort zu bauen?

Oder anders ausgedrückt: Man hätte vielleicht auch eine neue Art des Theaters erfinden können, experimenteller und kleiner, eine, die vielleicht in das bestehende Haus passt. Und falls nicht: Ist dieser Standort für einen so grossen Neubau noch richtig?

Die Entwürfe der Testplanung machen nicht nur der Denkmalpflegekommission Angst. Die Architekt:innen werden im Wettbewerb alles tun, damit sich das neue Bauvolumen neben der barocken Jesuitenkirche in die Schaufront an der Reuss einordnet. Gleichzeitig werden sie aber auch dem Wunsch des Theaters nach einem repräsentativen Haus entsprechen müssen.

Im November 2022 veröffentlicht die Stadt das Ergebnis des Wettbewerbs. Dann werden wir sehen, ob es ein Richtig im Falschen gibt.


Ivo Bösch kommentiert seit 2003 Architekturwettbewerbe, heute bei der Fachzeitschrift Hochparterre Wettbewerbe.

Text: Ivo Bösch
Illustration: Selina Bächli

041 – Das Kulturmagazin im Januar 01/2022.

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