Morta(della) versus Veggie oder: Ich habe so viel von Deinem Leben nicht verstanden

FR 23.10.2015, Kunstmuseum Luzern: Am letzten Wochenende fand der Performance Preis Schweiz statt und als Auftaktrahmenprogramm eine aussergewöhnliche Uraufführung der veganen Oper, kuratiert vom o.T. Raum für aktuelle Kunst. Ein unterhaltsames, in Rosa und Pink getünchtes Kammerspiel über die Zerissenheit von Fleischeslust und Veganismus. Ein Nachruf mit liegengebliebenen Erinnerungen.

(Fotografien: Nicole Boillat)

Das mit Vorfreude erwartete Highlight des Freitagabends folgte im Terrassensaal des Kunstmuseums mit der Aufführung der veganen Oper. Mehr als 150 Leute haben sich frühzeitig die Plätze gesichert und blickten auf eine knapp beleuchtete, karge Bühnensituation. Die Neonlichtshow des Riesenrades auf dem Europaplatz fügte sich perfekt in die Szenerie der Kulisse mit ein. Die Aufführung begann mit einer kurzen Einführung von Regula (Chris Regn, gekleidet in schwarzem Herrenanzug) und Amor (im kurzen Schwarzen und Kartonherz) bezüglich der bereits vor zehn Jahren aufkommenden Idee der Inszenierung einer veganen Oper, die anscheinend in einer turbulenten Nacht entstanden ist und 2006 in Berlin uraufgeführt wurde. Schnell wird noch eine Live-Musikerin eingeführt, bevor es mit dem Prolog beginnt. Die im Vorfeld erwartete Trash-Ästhetik wird ab dem ersten Moment wirksam, so sind die Dialoge in plakativ-unterhaltsamer Reimform gehalten, die Kostümierung an kitschigem Firlefanz orientiert und die Requisiten unisono aus Karton gefertigt.

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Die Hauptprotagonisten sind Morta(della) und Veggie, eine Carnivore und eine Veganerin, die sich an einem Marktstand kennenlernen lernen und halsbrecherisch ineinander verlieben. Die beiden haben nur noch Augen für einander, im Bett geht die Post ab und das junge Liebesglück scheint perfekt zu sein. Zum Wendepunkt kommt es natürlich, als Morta der Veggie – ohne von deren Veganismus in Kenntnis zu sein – etwas Fleischartiges zum Essen anbietet. Es folgt eine Arie der Entrüstung von Veggie, ein Abgesang auf die Fleischkonsumenten und die Propagierung der Faust-und-Pfoten-Bewegung (Solidarisierung mit der Tierwelt durch ein pfotenartiges Handzeichen, idealerweise mit rosa Fingernägel kombiniert) und der grünen Revolution. Morta, bestürzt vor Liebeskummer, folgt den Idealvorstellungen von Veggie und beginnt sich ebenfalls mit vollem Körpereinsatz der veganen Lebenseinstellung zu widmen. Es folgen Guerrilla-Gardening Aktionen, das Kultivieren einer Champion-Zucht und Protestaktionen gegen Metzgereibetriebe, ein solcher passenderweise von Veggies Eltern betrieben wird. Morta fasst den Plan, die fleischorientierte Mutter, grandios gespielt von Heinz Stahlhut (Sammlungskonservator des Kunstmuseums Luzern), zu bezirzen. Die schauspielerische (und gesangliche!) Leistung erreicht ihren absoluten Höhepunkt während eines Duettes zwischen der Mutter und Morta, die in flagranti von Veggie und ihrer Faust-und-Pfoten-Gang erwischt werden. Es bricht eine tumultartige Schlussszene an, die eine Jede-mit-Jeder-Situation offenbart und das carnivore Intrigenspiel von Morta thematisiert. Schlussendlich haben sich aber alle wieder liebt.

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Die vegane Oper hat einen gegenwärtigen Nerv der Zeit getroffen und eine unterhaltsame Inszenierungsform gewählt, um die Thematiken von Konsumorientiertheit, Veganismus sowie Homosexualität und Genderfragen miteinander zu verweben. Ohne parteiisch zu sein oder missionieren zu wollen, bietet das Stück kritisches Betrachtungspotenzial, hinterfragt die gegenwärtige Entwicklung der genannten Themen in beide Richtungen und vermag diese humorvoll zu einem Gesamtkunstwerk zu verstricken. Musik, Gesang, Wortjonglage und Tanzeinlagen haben sich hart an der Grenze der erlaubten Qualität befunden, was jedoch umso mehr durch Witz und kreativen Einfallsreichtum in der Requisitengestaltung überspielt wurde.

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egane Oper oder: Ich habe so viel von Deinem Leben nicht begriffen mit Lukas Acton, Katharina Friese, Jim Osthaarchic, Chris Regn, Bärbel Schwarz, Heinz Stahlhut, Christina Volk, Evi Wiemer und dem regionalen Ballett „Radical Cheerleaders“