Mit uns die Sintflut

Südpol Luzern, 24.11.2016: Unter 16 bist du zu jung für den Tod. Die Altersbeschränkung des uraufgeführten «Welcome to Paradise» macht Sinn.

Der Anfang lädt ein. Musik, warme Stimmung, sie tanzen, scherzen, saufen, rauchen. Beste Freundinnen im nächtlichen Nachspiel einer Geburtstagsparty. Zum Aufräumen werden die Gumminoppensocken angezogen. Zwischen Esgehtnochmehr und Baldinsbett ein Patchwork-Gelaber mit Längen und Tiefen und Kürzen und Höhen. Ein letztes Geschenk: das Unsterblichkeitselixier. Gemeinsam heben sie an. Es ist schon unheimlich, bevor die Gläser die Lippen berühren. Die Uhr tickt, man schaut den Schauspielerinnen zu, wie sie sich mit Schminke und Kleidern älter machen. Es sind aber vor allem die Art, wie sie reden und gehen, Körperhaltung und -bewegung, die den Zeitsprung eindrücklich vorführen. «Wir sind die letzten unserer Art.» Also alle tot bis auf die Unsterblichen. Heiteres Töten als Zeitvertreib, doch es wird langweilig. Die Uhr tickt ein zweites Mal, die Umwandlung noch etwas aufwendiger. Als Zuschauer bin ich ganz auf meinen harten Holzstuhl zurückgeworfen, während ich auf die nächste Szene warte. Jetzt brummeln sie, hauchen sie und die Kerze wird ein letztes Mal ausgeblasen.

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Dritte Umwandlung, die Sphäre des Menschlichen verlassen, tickt keine Uhr mehr. Da schweben noch zwei Existenzen in einer Welt, in der sie nicht vorgesehen sind. Am einundfünzigsten Geburtstag wollte sie von der Klippe ins Meer springen, sobald das Leben abwärts gehen würde. Auch jetzt endet es mit dem Einswerden im Meer. Nur ganz anders. Die Stimmungsumbrüche im Stück sind brutal und brutal gut gemacht. In diesen grossen, theatermagischen Momenten klappt das Zusammenspiel mit der Bühnentechnik bravourös, während es bei den kleinen Handgriffen an gutem Timing oft noch fehlt. Die Zweisprachigkeit (de/fr) macht nur am Anfang zu schaffen (man verpasst ein paar Scherze). Denn weil nietot und ewigmenschlich nicht dasselbe sind, geht die Sprache sowieso bald abhanden. Das Theater fabuliert nicht in Thesen über die Unsterblichkeit: es wird knallhart jene Variante durchgespielt, die dem mythischen Vorbild geschuldet ist (Eos und Tithonos). Das hebt im Kontrast vor allem den Wert des Sterbens hervor. Denn wir wissen ja, dass der Welt ihr Wandel egal ist – und die Sintflut ist nur den Unsterblichen ein Problem.

Mehr zum Stück: http://www.sonah-theater.ch/home/produktionen/welcome-to-paradise/ Das Stück ist noch heute, 25., morgen, 26.  und Sonntag 27. im Südpol Luzern zu sehen: http://sudpol.ch/#26509