Mit Hammer, Kamera und Hoffnung durch die Jugend

Mit Livestreams, Umbauarbeiten, Newsletter und viel Büroarbeit hat es das Jugendkulturhaus Treibhaus durch das letzte Jahr geschafft. Ermüdend und schwer war es – doch auch erstaunlich inspirierend.

Text & Bilder: Jan Rucki

Dieser Artikel erschien in unserer Juniausgabe. Hier 041 – Das Kulturmagazin abonnieren!

Frisch gepflastert, mit neuer Farbe akzentuiert und buntfröhlich mit Fähnchen verziert lädt er ein, der Treibhausgarten im Luzerner Tribschenquartier. An einem runden Tisch in einer Ecke unter einem lauschigen Bäumchen er warten uns drei Verantwortliche des Jugendkulturhauses: Geschäftsleiterin Corinne Imbach, Aktivistin Alina Wiget sowie WML-Praktikant und Aktivist Theeshi Sivarajah. Sie alle bewältigen verschiedene Aufgaben im ganzen Haus und bringen ihre eigenen Anliegen, Inputs und Projekte mit in die Jugendkultur-Spinnerei.

Durstig, aber glücklich

Verbinden tut sie der grosse Wille, junge Kultur zu verwirklichen, verschiedene Menschen zusammenzubringen und spannende Vorhaben umzusetzen. Und da verbindet sie leider noch etwas Zweites: die lange Durststrecke, verursacht durch die Pandemie.

Alina Wiget
Verzichtete bewusst auf digitale Event-Formate: Alina Wiget.

Dennoch wirken die drei glücklich, so gut es geht versöhnt mit der aktuellen Situation. Denn sie ist diffus, die Lage. «Länger als ein Jahr schon haben wir es mit sehr grossen Herausforderungen zu tun. Vieles ist sehr schwierig geworden», erzählt Imbach. Sie bestätigt damit den Tenor unter Kulturschaffenden einmal mehr. Doch das Gravierendste war für die Geschäftsleiterin des Jugendkulturhauses etwas anderes: «Wir konnten unseren Auftrag, nämlich die Förderung von Jugendkultur und die Bereitstellung eines Begegnungsraums, im vergangenen Jahr nur sehr beschränkt erfüllen.»

«Ich habe das etwas anders erlebt. Ich fand es lange easy, mir fehlte auch der Ausgang nicht wirklich. Erst als der ganze Albtraum nochmals kam im vergangenen Winter, hat es mir ordentlich auf die Stimmung gehauen.» - Alina Wiget

Die plötzliche Leere

Dies sagt auch die siebzehnjährige Alina Wiget, die seit etwa anderthalb Jahren unter anderem in der Programmgruppe «Skandal» aktiv ist. «Skandal ist eine  Partyreihe. Daher ist es logisch, dass unsere Events derzeit komplett brachliegen», erklärt sie. Und das macht etwas mit einem, findet der 20-jährige Praktikant Theeshi Sivarajah: «Anfangs fand ich die Pandemie noch ganz spannend. Doch schon nach zwei Wochen vermisste ich den Ausgang und den intensiven Kontakt zu meinen Freunden.» Die junge Veranstalterin er widert: «Ich habe das etwas anders erlebt. Ich fand es lange easy, mir fehlte auch der Ausgang nicht wirklich. Erst als der ganze Albtraum nochmals kam im vergangenen Winter, hat es mir ordentlich auf die Stimmung gehauen.»

Einen ähnlich bitteren Geschmack auf der Zunge hat Geschäftsleiterin Corinne Imbach, wenn sie an die vergangene Zeit denkt. «Ich machte mir ziemlich schnell grosse Sorgen um die Gesundheit aller Treibhaus-Mitglieder. Nebst den bekannten Gründen machte mir auch die psychische Verfassung der Leute Sorgen. Und wir haben uns viel Mühe gegeben, möglichst allen Mitarbeitenden eine Struktur und einen Alltag zu geben, auch wenn die meisten Ressourcen auf einen Schlag vorerst nicht mehr direkt im Treibhaus gebraucht wurden.» Einige griffen während der letzten Monate gar anderen Abteilungen der Luzerner Stadtverwaltung unter die Arme und konnten so einerseits einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen und anderseits neue Arbeitsfelder kennenlernen.

Teeshi
Ausgang und Freunde vermisste Treibhaus-Praktikant Theeshi Sivarajah kurz nach dem ersten Lockdown.

Das Treibhaus-Team aber spielte sich schnell ein, da sind sich die drei einig. Der Innovationsgeist blieb erhalten, der Garten wurde umgegraben, Wände bemalt, schon seit Ewigkeiten bestehende Konzepte einer Überarbeitung unterzogen, ein Boot wurde an die Decke der Beiz gehängt und eine neue Gartenbar wurde aufgestellt – made by the Treibhäusler und Treibhäuslerinnen.

«Anfangs fand ich die Pandemie noch ganz spannend. Doch schon nach zwei Wochen vermisste ich den Ausgang und den intensiven Kontakt zu meinen Freunden.» - Theeshi Sivarajah

Das Haus setzte zudem viel daran, den Kontakt zu sämtlichen Aktivistinnen und Aktivisten aufrechtzuerhalten. «Wir haben uns regelmässig per Telefon oder Chats gemeldet. Und um unsere freiwillig mitarbeitenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen einigermassen up to date halten zu können, verschickten wir ihnen regelmässig unseren Newsletter, in dem wir per Video mit neuen Infos auf sie zugingen», sagt Corinne Imbach. «Das war cool!», kommentiert Alina Wiget die Newsletter-Aktion und ergänzt: «Man hat sich dadurch nicht im Stich gelassen gefühlt und mitgekriegt, was im Treibhaus alles so vorwärtsgeht.»

Digitialer Overload

Und wie hat sich Party-Veranstalterin Alina während der tanzfeindlichen Zeiten im Treibhaus entfalten können? «Wir hätten ebenfalls digitale Formate wie etwa Livestreams machen können. Doch eine digitale Party macht nicht halb so viel Spass wie jene in echt», meint sie. Schliesslich habe sie sich viel lieber mit ein paar wenigen Freundinnen und Freunden für einen gemütlichen Abend getroffen, als dass sie allein zu Hause nach einem digitalen Schultag nochmals in den Bildschirm geglotzt, geschweige denn selbst einen Livestream lanciert hätte. Corinne Imbach führt aus: «Im letzten Jahr erlitten viele einen digitalen Overload. Auch ich habe mir irgendwann kaum mehr Livestreams angeschaut. Aber unsere sind natürlich cool», sagt sie mit einem Lachen. «Beispielsweise unsere digitalen Quiz-Abende. Da konnte man mit seiner WG um Ruhm und Ehre kämpfen. Das hat Spass gemacht und einem fast ein Gefühl von Normalität gegeben.»

«Wir verstehen einander noch besser, sehen was hinter der Arbeit einer anderen Person steckt. Das ist wertvoll.» - Corinne Imbach

Es sei paradox: «In einer Zeit, in der sich die Leute voneinander entfernen sollten, haben wir versucht, die Menschen irgendwie zusammenzubringen – pandemiekonform, versteht sich», so Corinne Imbach. So habe man kurzfristig beim letzten Lockerungsschritt das Jugendkulturhaus in ein Jugendtreff-Angebot umgewandelt.

Und schliesslich die Chefin des Hauses: Corinne Imbach
Corinne Imbach steuert das Treibhaus-Schiff durch den Pandemie-Sturm.

Das wachsende Verständnis füreinander

Ausserdem habe die Pandemie auch positiven Einfluss auf den Alltag im Treibhaus gehabt. Im Lauf der Zeit in dieser Ausnahmesituation habe man sich nämlich gegenseitig unter die Arme gegriffen, sich in wild durchmischten Teams an Projekte gemacht und einander besser kennengelernt. «Das Küchenteam hat zum Beispiel viele Umbauarbeiten vorgenommen oder es entwickelte gemeinsam mit Mitarbeitenden aus dem Büro eine kulinarische Veranstaltungsreihe», meint Imbach, «und ich habe dieser Tage mein erstes Mal alleine eine Barschicht im Treibhaus geschmissen!» Diese Erfahrungen sind, wenn es nach der Geschäftsleiterin geht, sehr wichtig für die Dynamik des Hauses. Denn: «Wir verstehen einander noch besser, sehen was hinter der Arbeit einer anderen Person steckt. Das ist wertvoll.»