Menschlichkeit schreien

PlattenWechsler: Die Luzerner Post-Hardcore-Truppe Hanter Dro präsentiert ihren Zweitling. «Death By Algorythm» ist geprägt von Kontrasten und überzeugt vor allem, wenn man die Grenzen zwischen den Songs verschwimmen lässt.

Mit «Death by Algorithm» veröffentlicht das Post-Hardcore-Quartett Hanter Dro ihr zweites Album. Laut Pressetext soll die Platte die Bandentwicklung seit ihrem Erstling vor drei Jahren widerspiegeln. Das neue Album haben die vier Innerschweizer in ihrem eigenen Studio ausserhalb Luzerns aufgenommen.

Die neun Lieder sind kontrastreich: Treibende Hardcore-Melodien wechseln sich mit stillen Ambient-Passagen ab, die wütenden Shoutings mit melancholischen Gesangsparts. Das über sechseinhalb Minuten lange Stück «Skeleton Walk» zeigt diese Spannung am deutlichsten: Es beginnt wuchtig und laut, lässt dann aber die Zuhörenden ohne jegliche Vorwarnung in ein Vakuum fallen. Diese Ruhe wird zuerst nur von einer klaren Gitarre, dann von Bass und Schlagzeug ausgefüllt. Schliesslich dreht die Band wieder auf und wird von den Schreien des Sängers Tim Fischer ergänzt. Der Song wird immer grösser und dichter, endet aber ganz still mit leicht unheimlichen Geräuschen, einer Mischung aus Dark Ambient und Industrial.

Die Stärke von «Death by Algorithm» liegt darin, dass das Album mehr ist als die Summe seiner Stücke, mehr auch als ein Spiegel der Bandentwicklung. Man spürt, wie durchdacht das Album ist. Die einzelnen Songs verstärken sich gegenseitig, spielen aufeinander an, Sätze und Formulierungen werden an verschiedenen Stellen wiederholt. Gerne würde man Fischers Texte besser verstehen, weil man das Gefühl nicht los wird, dass hier Wichtiges gesagt wird. Man vermutet eine grössere Welt, die zwischen den Zeilen versteckt liegt und nur darauf wartet, erkundet zu werden.

«Death by Algorithm» befasst sich mit dem Verlust von Menschlichkeit, menschlicher Nähe und dem Wunsch nach bedeutungsvollen Beziehungen im Angesicht der fortschreitenden Digitalisierung. Im letzten Drittel gelingt Hanter Dro eine starke Sequenz mit dem Instrumentalsong «Endlos», dem beklemmenden «Astronauts from the Underground» und dem offenen, überraschend optimistischen «In Empty Space New Matter Awakes». Alles fügt sich am Ende zusammen und entlässt die Hörerinnen und Hörer voller Hoffnung. Nur damit man wieder an den Anfang zurückkehren will, um diese Verwandlung mit Hanter Dro noch einmal durchzumachen.

Hanter Dro: Plattentaufe
SA 18. Januar, 20 Uhr
Konzerthaus Schüür, Luzern

Diese Rezension erschien in der Januar-Ausgabe des 041 – Das Kulturmagazin. Jetzt hier abonnieren!