Melange der Medien: Lotta Gandolas «Traces in Sight»

Dem Handgemenge zwischen Körpern und Technologie widmet sich Lotta Gadolas neues Buch «Traces in Sight». Die Publikation wird am 15. August im sic! Raum für Kunst Luzern vorgestellt.

Mit «Traces in Sight» von Lotta Gadola (*1991) erscheint dieser Tage Band 16 der Publikationsreihe «Junge Kunst Stadt Luzern» der Kommission für Bildende Kunst der Stadt Luzern. Der zweisprachige Band (Deutsch und Englisch) feiert diesen Samstag im Luzerner sic! Raum für Kunst Vernissage und neben Grusswort von Kommissionspräsident Roland Heini, Einführung von Eva-Maria Knüsel und künstlerischem Beitrag von Gadola wird das ein guter Anlass, um das gelungene Buch in die Hand zu nehmen.

Im Vorwort macht Eva-Maria Knüsel den Zusammenhang zwischen Gadolas künstlerischem Interesse und Buch als handgreiflichem Medium klar. Weil Gadola sich mit Körpern und Alltagsgesten im Gebrauch von «digitalen Nahkörpertechnologien» (Timo Kaerlein) wie Smartphones auseinandersetzt, wird zurecht auf die besondere Haptik und Handhabung der hochwertigen Publikation hingewiesen. Das zentrale Thema – Körpertechniken im Mediengebrauch – ist damit vorbereitet.

Lotta Gadola «Traces in Sight»

Denn für die Herausforderungen einer Printpublikation über zeitbasierte Kunst wie Video und Performance fand die Gestalterin Megi Zumstein elegante Lösungen im konsistenten Design. Zwar wird in Ankündigungen und Pressetexten immer wieder ein Daumenkino als Besonderheit hervorgehoben, im stringent konzipierten Buch wird aber durch angemessen gestaltete Reproduktionen und die hellsichtigen Textbeiträge schnell klar, dass man sich die Zeit hier nicht mit kurzweiligen Spielereien vertreiben muss.

Einen Einblick in Gadolas Arbeitsweise gibt die Medientheoretikerin Doris Gassert, die anhand einzelner Werke zeigt, wie die Künstlerin sich dem Zusammenspiel von Menschen und Maschinen nähert. Nach einer Erforschung des alltäglichen Technologiegebrauchs werden die Ergebnisse in einen künstlerischen Ausdruck übersetzt, der schlussendlich in Form von Foto, Video oder Performance kontrolliert kommuniziert wird. Die angedeutete Analogie von Gegenstand und Methode liegt dann unausgesprochen auf der Hand: Wenn nach Friedrich Kittler alle Medien übertragen, speichern und prozessieren, erscheint die Künstlerin selbst als Medium, wenn sie den allgegengewärtigen Gerätegebrauch sieht, umarbeitet und darstellt.

Lotta Gadola «Traces in Sight»

Claire Hoffmann zeigt anschliessend instruktive kunsthistorische Verweise und hebt hier zielsicher Überschneidungen und Abgrenzungen in Gadolas Vorgehen hervor. Hoffmann diskutiert die Spannung zwischen Struktur und Freiheit im Mediengebrauch und entgeht so überzeugend einem naheliegenden wie schalen Kulturpessimismus gegenüber digitalen Technologien. Wie herausstechend aber nun Gadolas Arbeiten anders als unzählig Themenverwandtes zeigt, dass wir mit den Gadgets «ein emanzipatorisches, individuelles Handlungspotenzial in den Händen haben», wird sich noch zeigen müssen.

Lotta Gadola «Traces in Sight»

Im Gesamteindruck des Buches und der künstlerischen Arbeiten fällt auf, dass der menschliche Körper selbst wie eine Art Maschine verstanden wird, wenn es um eingeschliffene Choreografien der Technologiebenutzung geht. Dabei fehlt aber noch eine wichtige Dimension von Technologie und Gesellschaft, die vielleicht mehr Unbehagen hervorruft als ein krummer Rücken: Die Veränderungen des Denkens durch unsere «Aufschreibesysteme» (Kittler) und der gegenwärtigen «technologischen Bedingung» (Erich Hörl). Wenn Nahkörpertechnologien den Körper nur noch im verschalteten Verhältnis zu Maschinen denken lassen, fällt Gadolas Arbeitsprogramm der künstlerischen Übersetzung schnell mit ihrem eigenen Gegenstand zusammen.

Die Publikationsreihe der Stadt Luzern soll jungen Kunstschaffenden eine erste Bestandsaufnahme ermöglichen und der neueste Band macht dann auch neugierig, was da noch kommen mag. Gadolas umfangreiche Ausstellung in der Kunsthalle Luzern wurde auf April 2021 verschoben, einen Einblick wird aber schon die Vernissage am Samstag bieten.

Buchvernissage
SA 15.08.2020, 17 Uhr
sic! Raum für Kunst, Elephanthouse

Lotta Gadola – «Traces in Sight»
SA 17. April bis SO 30. Mai 2021
Kunsthalle Luzern

Lotta Gadola: Traces in Sight. Band 16 (Junge Kunst Stadt Luzern)

Kunstpublikation. Hrsg. von Stadt Luzern & Kunsthalle Luzern, Wien: VfmK Verlag für moderne Kunst, 2020, Paperback, 272 Seiten, 32 CHF.