Meinrad!!!!!!!!!!!!!!!!!!

lit.z – Literaturhaus Zentralschweiz Stans, 19.09.2015: Meinrad Inglin und Bettina Zweifel, eine Langzeit-Liebesgeschichte. Er, der katholische Schriftsteller aus Schwyz, sie, die wohlbehütete protestantische Musikerin aus Zürich und ein dickes Bündel Briefe, die sie miteinander verbindet.

18 Jahre lang findet ein leidenschaftlicher Briefwechsel zwischen den beiden Hauptfiguren des Bühnen-Leseprojekts statt (dafür stehen übrigens die vielen Ausrufezeichen im Titel der Veranstaltung), bis es endlich zu einer Hochzeit kommt. Was in der Zwischenzeit passiert? Ganz viel Drama, Herzschmerz und Resignation, soviel steht fest. Heidi Züger schlüpft in Stans auf einer kleinen Bühne unter dem Dach des wunderschönen Literaturhauses in beide Rollen und gibt in einer szenischen Lesung die sich ewig hinziehende Liebesgeschichte der Protagonisten wieder. Schnell wird klar, dass Bettina Zweifel wahrlich die Extrovertiertere der beiden ist, emotional und leidenschaftlich beschreibt sie in einer Gefühlsachterbahn immer wieder ihre innere Zerrissenheit und den Schmerz der Einsamkeit, während Inglins Figur mehr in Gedanken versunken zu sein scheint und immer wieder Ausreden sucht, dass es eben noch nicht zu einer Hochzeit kommt. Die gebürtige Einsiedlerin und Schauspielerin Heidi Züger wechselt ohne grosse äusserliche Veränderungen zwischen den Figuren hin und her, lediglich eine runde Brille, wie Inglin sie trug, dient dem Publikum als Indiz, auf welcher Seite man sich befindet.

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Der ganze Abend wurde von Regisseur Ingo Berk in Szene gesetzt und wirkt auf den ersten Blick für einen Leseprojekt sehr theatral. Heidi Züger spielt beide Rollen überzeugend, insbesondere die des Schriftstellers Inglin. Bettina Zweifel wird als sehr temperamentvoll und gefühlsgesteuert dargestellt, jeder der ausgewählten Briefe zwischen 1921 und 1939 ist einer, der die Extreme ihres Zustands widerspiegelt: «Ist das nun die Liebe? Ich spüre nichts. Fühlst du denn gar nichts, Meinrad? Immer lauter weint mein Herz. Meinrad, hilf!» Schluchzend, schreiend und verzweifelt wendet sie sich immer wieder an ihren Geliebten, der mit Stille und Zurückhaltung reagiert. Durch diese Gegensätze wird der Zuschauer viel zu schnell dahin katapultiert, wo er im Verlaufe des Abends einmal stehen möchte – am Höhepunkt des zweifellos leidenschaftlichen Briefwechsels zwischen den beiden Akteuren. Von der dramaturgischen Seite gesehen ist dies klarer Kritikpunkt an einem sonst sehr gelungenen literarischen Abend. Mit wenigen Hilfsmitteln (ein Plattenspieler, die Briefe und Inglins Brille) wird den Zuschauenden ein sehr intimer Einblick in die so unterschiedlichen Leben gewährt. Nicht selten lassen einige der Textstellen das Publikum schmunzeln und hinterlassen beim einen oder anderen einen bleibenden Eindruck. «Ich kann dich nur unendlich lieben... und bedauern» schreibt Inglin und wirkt dadurch sogleich komisch, auch wenn es bedauerlicherweise eigentlich eine Ausrede ist, um in Ruhe an seinen Werken arbeiten zu können (und um einer Heirat zu entgehen). Trotz unzähligen Stolpersteinen und unglücklichen (familiären) Umständen finden Meinrad und Bettina schliesslich doch noch zusammen und heiraten 1939. Mit diesem bedeutenden Ereignis hat nicht nur der Briefwechsel ein Ende, sondern auch der Bühnenabend im lit.z, das sich nebenbei bemerkt als wirklich lohnender Geheimtipp erwiesen hat.

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