Titelbild: Kilian Bannwart
Das «D» muss am Anfang stehen, weil es sonst wegrollt. «A» und «M» stehen mit festen Beinen auf dem Boden und das «I» lässt sich wunderbar dazwischen platzieren. Laut dem Graffitikünstler Mirko Reisser (*1971) braucht jede*r Sprayer*in einen Graffitinamen, der aus Buchstaben besteht, die er oder sie mag und beherrscht. Mit dem Schriftzug DAIM, oder DEIM, denn das «E» ist ja eigentlich auch nur ein gekipptes «M», beschäftigt sich der Künstler schon seit fast 30 Jahren. Nach seinem Abitur hat er wie andere Sprayer*innen an illegalen Wänden geübt, bis er sich an die legalen, öffentlichen Flächen herangewagt hat.
Lucerne Baby
Nach Luzern kam Reisser, weil er einen Freund an der hiesigen Kunsthochschule besuchte und befand: Hier möchte ich auch studieren! Er nutzte und schätzte die Institution, da er von der Infrastruktur profitieren, aber seine Freiheit behalten konnte. Der Künstler versuchte sich mit verschiedenen Medien und Materialien. So sprayte zum Beispiel ganz nach dem Vorbild von Vincent Van Gogh die Landschaft auf dem Gütsch auf mitgebrachte Leinwände oder besprayte Buchstaben aus Styropor.
Nach zwei Jahren verliess Reisser die Schule und ging zurück nach Deutschland. Es sei aber eine sehr wichtige Zeit für ihn gewesen. Eine Zeit zum Ausprobieren – um schlussendlich doch die Spraydose als das beste Medium für sich zu entdecken. Auch deswegen wurde er es bis heute nicht leid, immer und immer wieder «nur» seinen Namen zu schreiben. Doch die Graffitiszene habe sich sehr gewandelt: Heute kann man in verschiedenen Fachmärkten allerhand Dosen, Zubehör und Accessoires zum Sprayen kaufen, während der Künstler früher Parfümsprühköpfe aus Drogeriemärkten geklaut hat, weil diese besonders feines Arbeiten ermöglichten. Als der Künstler mit dem Sprayen begann, war es nicht üblich, die Aussenkonturen, die sogenannten Outlines, wegzulassen, oder mit Perspektive und Räumlichkeit zu arbeiten – all dies hat sich in den letzten dreissig Jahren entwickelt. Das Ansehen für die sogenannte «urban art» ebenfalls. Sie wurde inzwischen in einen institutionellen Rahmen erhoben.
Signaletische Explosion
In der Kunsthalle sind neben besprayten Leinwänden und Aluplatten auch Tiefdrucke aus Reissers Hochschulzeit ausgestellt. Der Hauptakt bildet aber das 22 Quadratmeter grosse Graffiti, welches Reisser in den vergangenen sechs Tagen auf der Wand der Kunsthalle Luzern realisiert hat. Seine Grösse und Dynamik lädt die Betrachter*innen dazu ein, sich im Raum zu bewegen und verschiedene Perspektiven zum Werk einzunehmen. Die Arbeit ist auf den bananenförmigen Raum abgestimmt. Sie nimmt Bezug auf die Decke, den unruhigen Boden und das Rot der Stühle der Bourbaki-Bar, die sich durch die Scheibe spiegeln. Die Pilaster an der Wand wurden freigelassen und ermöglichen ein kleines Trompe l’Œuil: eine Terrasse mit Aussicht und dahinter eine Explosion aus Formen, Flächen und Linien. Das Spiel mit der Wand, die Konstruktion und Dekonstruktion werden dabei geschickt eingesetzt, um die Illusion zu erzeugen, dass das Gemälde aus der Wand hervorspringt.
Museum = Brückenwand
Im Kunsthallenkabinett kann das rasante Making-Of-Video jenes Graffitis geschaut werden, das Reisser 2014 im Rahmen seiner Einzelausstellung «DAIMmonomania» in der zone contemporaine in Bern realisiert hat. Damals, an dieser Vernissage hat Michael Sutter, Leiter der Luzerner Kunsthalle, den Künstler kennengelernt. Er fand die Vernetzung mit Luzern nebst der Ambivalenz zwischen klassischem Sprayer und Künstler ausschlaggebend, um Reisser wieder zurück nach Luzern zu laden.
Der Künstler hat mit seinen Werken grossen Erfolg, ist Markenbotschafter von Volvo und wird von Galerien vertreten. Am Kommerz sei er trotzdem nicht interessiert. Er habe seinen eigenen Stil und ziehe diesen durch. Für Reisser gehören Museen zum öffentlichen Raum und unterscheiden sich daher nicht gross von einer Hauswand. Aber für die Betrachter*innen ist der Kontext, das Setting, in der seine Arbeiten zu sehen sind sehr wichtig: Auf der Strasse haben Graffiti mit Vorurteilen und Klischees zu kämpfen, während im institutionellen Rahmen auf sie eingegangen wird. Die Besucher*innen nehmen sich Zeit, ein Werk genauer zu betrachten und geben ihm eine grössere Wertschätzung.
Die Konstanz und Ausdauer, die in den Arbeiten Reissers stecken, ist bewundernswert. Wahrlich ein Monolog, aber überraschenderweise nicht monoton! Wem die Kunsthalle zu weit weg ist, der oder die kann bei der Sentimatt ein sehr gut erhaltenes Werk von DAIM besuchen, dass während seiner Studienzeit in Luzern entstanden ist.
Passend zur Sommerrätselausgabe des « 041 – Das Kulturmagazin» kann man hier etwas gewinnen!
Finde den die Buchstaben D, A, I und M im Werk «DAIM – coming out of Luzern» und gewinne ein Poster des Künstlers.
Lösungen bis am 20. August an redaktion@kulturmagazin.ch oder von uns auch gerne als Facebook- oder Instagram-Post! Die oder der glückliche Gewinner*in wird informiert.
Die Ausstellung läuft noch bis am SO, 12.8.2018. An diesem Tag ist der Künstler anwesend, inkl. Poster-Launch.
15 Uhr: Künstlergespräch mit Mirko Reisser und eingeladener lokaler Graffitiszene.
Öffnungszeiten Kunsthalle Luzern:
MI bis SA: 15 bis 20.30 Uhr
SO: 14 bis 18 Uhr