The medium is the message

AB Gallery, 27.04.2014: Dem Phänomen der urbanen Kunstrichtung widmet sich die aktuelle Ausstellung «Graffiti is ART?» in der AB Gallery in Luzern. Die ausgestellten Werke internationaler Künstler vereinen Graffiti und Abbildungen der Street Art zu einem künstlerischen Ausdruck und dokumentieren zugleich Mut zur Veränderung und Revolution.

Graffiti als eine Form der Verunstaltung und des Vandalismus? Oder eine mögliche künstlerische Gestaltung, die vom Betrachter entschlüsselt werden will? Diese eingangs gestellten Fragen bilden das Kernstück der Gruppenausstellung und sind als Fokalisierung bildender Kunst zu verstehen. Gemeinsam ist den Werken die direkte Auseinandersetzung mit revolutionären Idealen sowie Mut zum Protest. Die AB Gallery in Luzern bietet mit ihren Räumlichkeiten eine optimale Inszenierung der ausgewählten Bildobjekte. Ein Künstleratelier gliedert sich an den offenen Ausstellungsraum an, was eine Lebendigkeit dieser Galerie bewirkt. So wird die Ausstellung «Graffiti is ART?» zum Vehikel der Selbstentfaltung, welche in der Vielfalt der einzelnen Werke zum Ausdruck kommt.

Ammar Abo Bakrs Wandarbeiten auf Leinwand setzen sich aus einzelnen Bildausschnitten zusammen. Aus bereits Vorhandenem und Verschiedenem wählt er einzelne Szenen aus, die er schliesslich zu einem Kompendium verschiedener Motive gliedert. Seine Darstellungen spiegeln machtpolitische Themen wieder, die sich in Leerstellen verlieren und die Sichtweise dem Betrachter übergeben. Während der Revolution des «Arabischen Frühlings» legte Ammar Abo Bakr sein Atelier auf die Strasse, um so direkt mit den Aufständischen interagieren zu können. Dieser Austausch diente ihm als Grundlage für neue Bildmotive, die sich in seinen Märtyrerdarstellungen präsentieren. Explosiv wurde die Farbe hier aus den Sprühdosen auf den Bildträger aufgetragen, was die dynamische Farbgebung der Grafiken und Sujets bewirkt.

Frauengestalten in leuchtend blauen Burkas verbinden sich zum Leitmotiv bei Shamsia Hassanis künstlerischen Arbeiten, welche auf die Unterdrückung der Frau aufmerksam machen. Als erste Sprayerin Afghanistans im öffentlichen Raum Graffiti anzubringen, war mit einigen Gefahren verbunden. So sind in der Ausstellung Werke zu sehen, die eine neue Form des Mediums zeigen. Aus einer Synthese von Graffiti und Street Art entstehen imaginäre Bildlandschaften. Fotos von bekannten Plätzen und Gebäuden werden von Shamsia Hassani fotografiert und mit Photoshop surreal besprayt und bemalt. Ihre Werke hinterfragen die vorherrschenden Geschlechterrollen und brechen dabei gleichzeitig mit den traditionellen Klischees

.

Marc Erwin Babejs Fotoserie «Chernogirls Episode II: NYC» ist als Fortsetzung seiner ersten fotografischen Ausführung «Chernogirls Act I: Minsk- Tschernobyl» zu verstehen. Models der ehemaligen Sowjetunion wurden vor baufälligen Strassen und Mauern in Momentaufnahmen festgehalten. Dabei zeigen sich dekadente Szenen, die mit den schwarz-weiss-Fotografien interferieren. Zwischen den gegensätzlichen Polen der Schönheit und des Zerfalls bildet sich ein  eindrücklicher Kontrast. Der so entstandene Verfremdungseffekt lässt Pigmentdrucke in einem entrückten Kontext erscheinen und dokumentiert zugleich die Geschichte der Streetart und der Sowjetunion in Relation zur Moderne.

Talal al Zeids Werke sind von experimentellen Schaffensprozessen geprägt. Der freie Umgang mit Farbe und Material lässt die Sujets auf unterschiedlichen Oberflächen miteinander verflechten. Lebensgrosse Strukturen greifen auf die Wandbilder über und können als Bezug auf die Graffiti verstanden werden. Das Zusammenspiel von Acrylpigmenten sowie Sprühfarbe findet seinen Höhepunkt im grossformatigen Bildträger. Dieser erlaubt dem Künstler auch mehrere Kombinationsverfahren auszuprobieren und so auf den Betrachter wirken zu lassen.

Die Ausstellung «Graffiti is ART?» ist noch bis am 31. Mai 2014 in der AB Gallery in Luzern zu sehen.