Kulturmagazin im September

… Wait, what? Ja, es ist komplex, und vielleicht können wir genau dieser Komplexität etwas Lehrreiches und Schönes abgewinnen.

Editorial

Liebe Leser:innen

Wo sind sie eigentlich, die Räume, die Lokale und Treffpunkte, in denen sich das queere Leben in Luzern abspielt? Viele mussten schliessen, und auch die Pride findet diesen September zum ersten Mal wieder statt – nach 17 Jahren. Doch was bedeutet Sichtbarkeit für jene, die sich heteronormativen Vorstellungen widersetzen? Und braucht es dazu noch Räume – oder ist das Empowerment bereits allgegenwärtig? Raphael Albisser begab sich auf einen Streifzug durch Luzern, sprach mit verschiedenen Personen über ihre Erfahrungen und Erinnerungen, über die queere Szene damals und heute. 

Allerdings sehen sich Veranstaltungen wie die Pride immer wieder mit dem Phänomen des «Pinkwashing» konfrontiert, wobei sich Firmen beispielsweise pünktlich zum «Pride Month» in Regenbogenfarben zeigen. Meist geht es ihnen dabei eher um Profit als um echtes Engagement. Damit verkommen wichtige Symbole queerer Communities zu reinen Marketingstrategien. Um diese Fragen kreist auch der Beitrag von Valérie Hug über das Lucerne Festival, das dieses Jahr unter dem Motto «Diversity» ausgetragen wird. Unter Diversity scheint das Festival die Inklusion von Frauen und People of Color zu verstehen – aber lediglich im Programm, das nach aussen getragen wird. Die strukturelle Ebene, die Führungs- und Entscheidungspositionen blieben bisher unangetastet. Wird Diversity damit zum kurzlebigen Trendwort, das während einer Ausgabe Plakate schmückt?

Um Formen der Aneignung geht es auch im Beitrag «Darf man das noch?». Vielleicht habt ihr sie mitbekommen, die erhitzte Diskussion um die Brasserie Lorraine in Bern, die ein Konzert absagte, weil zwei weisse Musiker Dreadlocks trugen. Die Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal zeigt auf, was unter kultureller Aneignung überhaupt zu verstehen ist, und bringt auf den Punkt, worum es bei den Debatten eigentlich gehen sollte: nicht um das müssige «Heute darf man ja gar nichts mehr», sondern um Kapitalismuskritik. Und diese darf nicht durch ästhetische Debatten ersetzt werden.

… Wait, what? Ja, es ist komplex, und vielleicht können wir genau dieser Komplexität etwas Lehrreiches und Schönes abgewinnen.

Mit diesen Gedanken entlassen wir euch in die Lektüre, liebe Leser:innen. Schön, dass ihr dabei seid.

Robyn Muffler und Giulia Bernardi


 

THEMEN IN DIESER AUSGABE

• FOKUS 

Queeres Luzern

Irgendwo gab es sie immer, die Räume, in denen sich das queere Leben in Luzern abspielte

Trendwort «Diversity»

Kurzlebiges Motto oder nachhaltige Veränderung? Das Lucerne Festival im Fokus

Darf man das noch?

In der Debatte um kulturelle Aneignung plädiert Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal für mehr Kapitalismuskritik

Macht Liebe

Anne Morgenstern über Körper und soziale Norme


• KOLUMNEN 

Fun ist ein Strandbad
Über das afrofuturistische Filmereignis «Neptune Frost»

Boys Should Cry
Warum Männer, die staubsaugen, weniger mansplainen

Verbrechen und Strafe
Abseitssehen – wie lange kann sich das die Schweiz noch leisten?

Lidija schreibt Leben
Von der Schreib- zur Sinnkrise

Mixtape
Acid Amazonians widmen dem legendären DJ Bobo ihre Playlist

Käptn Steffis Rätsel


• AKTUELL 

– Der neue Film «Drii Winter» von Michael Koch zeichnet das ungeschönte Bild einer Urner Dorfgemeinschaft

Pet Owner bringt mit «Natural Behaviour» das erste Album heraus

«Tschäderibumm» vereint Mundartgeschichten für Kinder

– Künstlerin Fabienne Immos lotet die Räume im Museum Sankturbanhof aus

– Die One-Woman-Show «Mama Love» ist Ende September im Südpol zu sehen


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