Jürgen Teipel – Weniger als laut

Südpol, 9.4.2014: Das Generationen-Portrait «Verschwende deine Jugend» von Jürgen Teipel, das die Punkbewegung in Deutschland zwischen 1976 und 1983 thematisiert, gehört mittlerweile zum Standardkanon zu deutscher Subkultur.  In seinem aktuellen Buch «Mehr als laut» widmet sich Teipel der Generation «Techno». Für die beiden zweikommasieben-Macher Marc Schwegler und Remo Bitzi ein guter Grund, ihn für eine Lesung einzuladen.

In «Verschwende deine Jugend» hat Teipel vor dreizehn Jahren über einhundert Gespräche mit Musikern, Autoren von Fanzines, Inhabern von Plattenläden oder Kneipenwirten geführt und diese anhand von Zitatauszügen thematisch und zeitlich in Zusammenhang gesetzt. In seinem neuen Buch hat er diese Technik beibehalten. Das Buch gibt anhand von zwanzig Interviews mit DJ's wie Richie Hawtin oder DJ Koze persönliche Einblicke in die DJ-Szene und Clubkultur.   Gleich zu Beginn der Lesung erklärt Teipel, dass die Interviews von Recherchearbeiten zum Buch «Ich weiss nicht» aus dem Jahr 2010 stammen. Durch die Publikation der Gespräche in Buchform musste er bei allen Beteiligten die Erlaubnis zur Veröffentlichung einholen und, wenn nötig, Passagen weglassen. Die Veröffentlichung des Buches letzten Herbst schlug merklich weniger hohe Wellen als bei «Verschwende deine Jugend». Die Gründe dafür sind vielfältig: Das Buch verarbeitet weniger (Interview-)Material, besitzt keine geschlossene Zeitebene und die Protagonisten sind beliebig ausgewählt. Doch mit interessanten Einblicken in den Alltag eines DJ's geizt das Buch nicht.   Von Anfang an vermitteln Jürgen Teipel und die beiden Gesprächsleiter Marc Schwegler und Remo Bitzi der überschaubaren Zuhörerschaft, dass Interaktion zwischen allen Anwesenden erwünscht ist. Die gemütliche Wohnzimmer–Atmosphäre in der Shedhalle tut ihr übriges.   Ein besonderes Merkmal des Buches ist, dass mit Miss Kittin oder Acid Maria mehrere weibliche DJ's  zu Wort kommen – was im Missverhältnis zur Realität in den Clubs steht. Naheliegenderweise stellt Marc Schwegler seinem Gegenüber die Frage, wie es um das Gleichgewicht der Geschlechter in der Clubkultur steht. Teipel liest  aus dem Buch ein Zitat von Acid Maria vor, in der sie von der Ablehnung erzählt, die ihr Anfang der Neunziger Jahre von männlicher Seite entgegenschlug. Eine fundierte Antwort auf die Frage vermag er jedoch nicht zu geben. Früh wird klar, dass Teipel mehr Chronist als Poptheoretiker ist. Dies ergibt auch Sinn in Anbetracht seiner literarischen Herangehensweise, bei welcher er die Reflexion dem Leser überlässt. Der Abend versandet zusehends in Themen-Hopping, das viele Diskussionen anreisst und doch keine neuen Erkenntnisse liefert: Dass Drogen und viel Herumreisen anstrengend sein können – macht Sinn. Wie das Buch, liefert auch die Lesung ein Puzzle, das zusammengesetzt kein ganzes Bild ergibt – auch das macht Sinn.

Jürgen Teipel: «Mehr als laut. DJs erzählen», Suhrkamp Verlag, Berlin 2013, 236 Seiten.