Jazz mit Dessert-Charakter

Sonntag ist der Jazzabend in der Bar 59. Das Quartett des Elektro-Bassisten Herbie Kopf spielte gestern lockeren Groove-Jazz. Nach dem Konzert gingen die Leute sofort nach Hause. Jazz ist keine Party.

Ein Besucher kam aus Altdorf angefahren. Award für den Gotthardkanton und seine überregionalen Kulturfühler. Der Besucher kannte die Band und wollte sie mal wieder sehen. «Ein paar der besten Schweizer Jazzer spielen da mit.» Aber sicher. Adi Pflugshaupt, Meister für alle Klappeninstrumente. Pius Baschnagel, präziser Trommler und Sammler. Hans Feigenwinter, Pianist der Extraklasse. Bandleader Herbie Kopf überzeugte mit fliessendem Schub und funky Übersicht. Die abgedunkelte Atmosphäre, mit Lämpchen und Oriental-Schummer in den Nischen, hätte wohl für eine heisse (Musik-)Nacht gut sein können, doch die Band und ihr Publikum beliessen es beim Aufwärmen. Nach den Festtagen mit viel Frass und Trank sei das Konzert wie ein Dessert, sagte Kopf zur Begrüssung. Süss waren nur die Balladen. Der Rest war konventionell herb. Der Funke zündete irgendwie aber nicht richtig. Die Stücke gerieten in Schwung, es war alles schön und virtuos, aber am Abend vor dem Montagmorgen ist das Abheben schwierig. Das Publikum trug Jazzfinken und war aufmerksam. Knapp 25 Leute waren da, hörten zu, klatschten brav, blieben sogar nach der Pause. Manchmal drang Jazz von der Bar draussen in den Konzertraum, und so hatte man zu allem Jazz von der Bühne auch noch eine Prise Jazz als Hintergrundsmusik. Der Eintritt war gratis, hereinspaziert meine Damen und Herren. «So kommen wenigstens noch Zuhörer», sagt der Bar-Betreiber, und man wusste nicht genau, war das jetzt noch Galgenhumor oder schon Verzweiflung. Klagen tun viele, Jazz spielen auch, und beides war an diesem Abend in sehr guter Qualität vorhanden. Die Musik hatte einen Latin-Flow und einen markigen Kern, darüber solierten die Musiker in wechselnden Einsätzen. Nur der Schlagzeuger musste bis zur Zugabe warten, um seine Maschine etwas aufzurütteln. Pflugshaupt blies unentwegt seine Kaskaden auf Sopransax, Bassklarinette und Flöte. Feigenwinter glitzerte in rasanter Leichtigkeit über die Tasten. Kopf behielt den Kopf und legte gut getaktete Fundamente. Zwei Musiker rauschten anschliessend gleich davon, weil sie auf den Zug mussten. Auch das Publikum erhob sich sofort und ging. Jazz liegt voll im Terminfahrplan. Aber gemessen an den Frequenzen nicht wirklich im Trend. Was, gemäss Jazzpolizei, auch völlig egal ist.