Insel der hibbeligen Glückseligkeit

B-Sides, Sonenberg, Kriens, 14. - 16.06.18: Während dreier Tage verzeichnete die 13. Ausgabe des B-Sides-Festivals 4'500 Besucher. Das Musikprogramm befolgte dabei die alte Fussball-Regel: Tief spielen, hoch gewinnen. Wer mit Neugierde die Konzerte besuchte, wurde mit vielen Entdeckungen reich beschenkt.

Fotos: zvg B-Sides, Titelbild: Jérémie Dubois

In einer Szene im Film «Only Lovers Left Alive» von Jim Jarmusch singt Yasmine Hamdan in einer schummrigen Bar in Tanger den Song «Tal». Die beiden Vampire Adam (Tom Hiddleston) und Eve (Tilda Swinton) hören fasziniert zu. Nach dem Konzert sagt Eve zu Adam: «I'm sure she will be very famous». Adam erwidert: «God, I hope not.  She's way too good for that.» Besagter Song aus dem Film bringt Yasmine Hamdan in der Mitte ihres Sets auf dem Sonnenberg und im Gegensatz zur Albumversion endet diese Live-Version in einem Noise-Gewitter. Es ist der Beginn einer furiosen zweiten Konzert-Hälfte: Nach eher ruhigen Folk-Pop-Songs und mit Einbruch der Dämmerung, zieht die Musikerin aus dem Libanon das Tempo an und verbindet elegant westliche Popmusik mit Klängen aus Nahost. Zum Schluss singt Hamdan das libanesische Traditional «Beirut». Es ist eine Liebeserklärung an ihre Heimatstadt, die man einst das Paris des Nahen Ostens nannte. Es ist der besinnliche Höhepunkt des Donnerstagabends am B-Sides.

Yasmine Hamdan
Yasmine Hamdan liefert den donnerstäglichen Besinnungshöhepunkt. Bild: Sam Aebi

Ein Fall für zwei

Wie einfach und effektiv Popmusik sein kann, machen Mariam Wallentin und Andreas Werliin auf der Zeltbühne vor: Er spielt Schlagzeug, sie singt und bedient ein Kit aus verschiedenen Perkussionsinstrumenten – hie und da läuft eine Bass- oder Synthie-Spur mit. Am eindrücklichsten klingen Wildbirds & Peacedrums, wenn sie roh und minimal bleiben und dabei ein polyrhythmisches Feuerwerk zünden.

Ein ähnliches Setting war auch bei Tomaga am Sasmtag zu beobachten. Zwischen Schlagzeugerin Valentina Magaletti und Bassspieler Tom Relleen steht ein Xylophon, dass sie in der Mitte des Konzerts zusammen bespielen. Eine Stunde am Stück erklingt ein Mix aus Psychedelic und Krautrock. Dabei fasziniert die wirblige Spielart von Magaletti, die ohne Kraftmeierei auskommt.

Einen geradlinigeren Weg verfolgen Gabriele De Mario und Anita Rufer von der Zürcher Indie-Rock-Band Disco Doom. Mit ihrem Nebenprojekt J&L Defer beschränken sie sich auf zwei Gitarren und Beats ab Drumcomputer. Das klingt am Freitag dann bisweilen wie eine Kreuzung aus Suicide und Sonic Youth – also ziemlich Lo-Fi und mit eingängigen, süffigen Melodien versehen.

Pop im Grossformat

Weitaus weniger verkopft präsentiert, ebenfalls am Freitag, auf der Hauptbühne das Orchestre tout puissant Marcel Duchamp XXL ihren Pop im Grossformat. Die vierzehn Musikerinnen und Musiker aus der Romandie spielen einen wilden Mix aus Rock’n‘Roll und Afro-Pop. Kunstvoll verweben sie verzerrte Gitarren, Marimba-Klänge und Streicher zu komplex arrangierten Kammerpop-Hymnen. Das klingt bisweilen wie das Pinguin Cafe Orchestra auf MDMA.

Orchestre Duchamps
Die 14 Musikerinnen und Musiker des Orchestre tour puissant Marcel Duchamp XXL. Foto: Sam Aebi

Für tanzbare Gemütsmusik sorgen später am Abend Ammar 808 & The Maghreb United. Die Musiker aus Tunesien, Algerien und Marokko kombinieren Nordafrikanische Instrumente (Gimbri und Flöte) mit tanzbarem Techno. Nach dem Motto höher, schneller, lauter ziehen sie das Tempo zusehends an, bis sie die Schmerzgrenze zum Gabber erreichen. Dass diese Tour de Force keinen Schiffbruch erleidet, ist den ungeraden Rhythmen zu verdanken, die herrlich rumpelnd die 4/4-Beats konterkarieren.

Ammar 808
Ammar 808 ist nicht 08/15. Foto: Silvio Zeder

Geradlinig und popkonform geht dann am Samstag das Konzert von Rapper Romano über die Bühne. Der Berliner mit den markanten Zöpfen spielt einige nette Songs, aber auch unsägliche Pop-Schnulzen wie «Romano & Julia» oder «Klaps auf den Po», die inhaltlich genauso infantil sind, wie es die Titel erwarten lassen.

Romano
Romano aus Köpenick in seiner Signature-Metalkutte. Foto: Urs Arnold

Der Zeitgeist hält Einzug

Ein versprechen für die Zukunft ist am Freitag die 23-jährige Brittney Denise Parks alias Sudan Archives. Und dass hier der Zeitgeist Einzug hält, ist auch dem Publikum vor der Zeltbühne anzusehen, wo der Altersdurchschnitt sichtlich unter 30 liegt.

Mit leichter Hand verknüpft die Afro-Amerikanerin aus Los Angeles nordostafrikanisches Violinenspiel mit R'n'B und Hip-Hop. Darüberhinaus besitzt sie eine tolle Stimme, mit der sie blitzschnelle Rap-Salven abfeuern kann und auch bei R'n'B-Parts sattelfest bleibt. Mit fortschreitender Dauer des Konzertes klingen die Songs etwas gleichförmig, was wohl damit zu erklären ist, dass sie noch nicht über viel Songmaterial verfügt. Mit «Sink» hat sie gerade erst ihre zweite EP herausgebracht.

Sudan Archives
Zeitgeistig aus Los Angeles: Sudan Archives. Foto: Silvio Zeder