Hermann: Die kleinen Sörgeli der Ü40er

PlattenWechsler: Die Luzerner Band Hermann präsentiert mit «K. O. Boomer» ihren Zweitling: Musik von «mittelalten, mittelständischen Männern für die Ü40-Disco»? Unsere Autorin in den Endzwanzigern wollte diese Hypothese testen.

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Zugegeben: Als Endzwanzigerin gehöre ich nicht zum Zielpublikum der Band Hermann. Obwohl ich Mundart-Pop mag, hätte ich mir ihre neue Platte kaum ohne Aufforderung angehört. Ist das zu ehrlich, sogar etwas gemein? Vielleicht. Aber das zweite Album «K.O. Boomer» des Luzerner Trios Hermann wurde von «mittelalten, mittelständischen Männern für die Ü40-Disco» geschrieben (ihre Worte, nicht meine). Das würde ich so unterschreiben.

Die Platte verhandelt das eine oder andere «Erschtwältproblem», wie es in der Singleauskopplung passend heisst. Der Song steht repräsentativ fürs Album, denn in den neun Tracks geht es um ebendiese kleinen Sorgen unseres Alltags. So singt Jonathan Winkler (voc, git) vom Cilo-Velo, das er als Kind mal hatte und wieder will, dem Trampolin, das nicht zur Ratan-Lounge passt («Trampolin»), sehnt sich nach Algorithmen, die dem Stockwerkeigentümerreglement ein Ende bereiten («Schöni neui Wält») oder besingt den Wunsch, im Bett liegen bleiben zu wollen («Sicher ned ufschtoh»).

Musikalisch bleiben die Beats einfach, wenn auch ein wenig ausgefallener als bisher, da im Vergleich zur Debüt-Platte neben der Rhythm Ace Drum Machine (Baujahr 1968) noch eine jüngere (Roland TR-707, Baujahr 1985) sowie eine digitale (weil Ableton-Plugin) Maschine den Schlagzeuger mimt. Kombiniert mit den wavigen Synthie- und Gitarrenklängen sind die Songs mal treibend, mal gemächlich, mal verträumt, wirken jedoch trotzdem irgendwie eher ernüchternd. Und wenn dann im Song «Swiss Music Abwart» saubere Töne besungen und Bands wie Stahlberger und Dachs erwähnt werden, dann kommt man irgendwie nicht umhin, sich zu fragen: Warum sucht man sogleich nach Gemeinsamkeiten zwischen Mundart-Synth-Pop-Bands?

Vielleicht existieren so wenige, dass man automatisch beginnt, ein Genre um die wenigen, die es gibt, zu konstruieren. Und auf die Frage nach Gemeinsamkeit folgt stets die Frage nach der Differenz: Was unterscheidet diese Mundart-Pop-Bands? Es liegt nahe, die Antwort in den Texten zu finden. Ich für meinen Teil finde in den Zeilen von Hermann weniger Anknüpfungspunkte als bei Dachs oder Jeans for Jesus – vielleicht ist das aber tatsächlich nur dem Alter geschuldet.

Hermann: K.O. Boomer

Innerort Records, VÖ: 12.3.2021