Heinz – Kunst vom und für den kleinen Mann

Kunsthalle Luzern, 24.08.2017: Die neue Ausstellung der Kunsthalle Luzern widmet sich einem einzelnen Kunstwerk — der Kreuzstutz-Kreisel-Plastik «Heinz» von Christoph Fischer. Der Zeitpunkt dieser Materialschau ist nicht nur aufgrund des enormen Erfolgs von «Rue de Blamage» sehr treffend, sondern zeigt in Zeiten des fortschreitenden Abbaus von Kulturförderung eindrücklich auf, wie aufwändig, aber dennoch wertvoll solche Projekte sind.

Kaum ein anderes öffentliches Kunstwerk hat in den letzten Jahren ein solch breites Interesse ausgelöst wie Christoph Fischers 3.5m grosser «Heinz» in der Baselstrasse. Daran dürfte mit Sicherheit der Publikumsliebling «Rue de Blamage» schuld sein, welcher die letze Phase des Projekts anschnitt. Dessen Anfang war aber bereits viel früher, im Jahre 2009. 

Auf Initiative des Vereins BaBel, der katholischen Kirche und den umliegenden Schulen, sollte der damals morbide gewordene Holzturm durch ein neues Kunstobjekt ersetzt werden, welches dem Reichtum an verschiedenen Kulturen in der Basel- und Bernstrasse Rechnung tragen sollte. Letzteres wurde rückblickend zwar nicht direkt umgesetzt, das Kunstwerk wurde aber ein Denkmal an den kleinen Arbeiter, mit dem sich auch die allermeisten Einheimischen identifizieren können.

Jetzt, nachdem «Heinz» für fast ein Jahr allen Witterungen am Kreuzstutz getrotzt hat, soll das Projekt mit einer öffentlichen Materialschau sein Ende finden. Es ist eindrücklich zu sehen, wie viel Recherche, Organisation, Gedanken und Modellstudien in den sieben Jahren durch Christoph Fischer entstanden sind. In mehreren tausend Arbeitsstunden entstanden Hunderte von Mails, Skizzen, Fotos, Gussformen & Bauplänen, welche sich zu einer riesigen Gesamtcollage vermengen. Insbesondere Fischers Bleistiftskizzen mögen durch ihre Einfachheit, aber zugleich unglaublichen Präzision begeistern. 

Im Kabinett sind bizarre Alltagssituationen vom Kreuzstutz-Kreisel zu sehen

Begleitet wird die Materialschau im Kabinett durch weitere Fischersche Beobachtungsstudien am Kreuzstutz-Kreisel, welche man selber auf dem typischen «blauen Bänkli» geniessen darf. Die Aufnahmen kommen in der bekannten verwackelten Fernrohr-Optik daher und zeigen amüsant-bizarre Strassenszenen. Leider wurden nur sehr wenige Ausschnitte gewählt und das Video wiederholt sich bereits nach kurzer Zeit. Allgemein fühl sich das Kabinett wie ein Fremdkörper an; ein Bezug zu oben fehlt — darüber hinweg kann auch der etwas verloren wirkende Monitor mit Objekt-Studien über Heinz Gilli nicht hinwegtäuschen.

Nichtsdestotrotz ist die Ausstellung sehr gelungen und trägt dazu bei, einer breiteren Öffentlichkeit einen Einblick in das Kunstschaffen zu gewähren. Die Materialschau in der Kunsthalle zeigt auf eindrückliche Weise auf, dass der öffentliche Raum eben auch durch viele private Einzelleistungen von Kultur- und Kunstschaffende positiv geprägt wird.

«Heinz statt Blumen»
Im Rahmen der Ausstellung erschien auch die sehr schön gestaltete Publikation «Heinz statt Blumen» (in der Kunsthalle für 20 CHF erwerblich), welche von vielen Anekdoten begleitet nochmals den ganzen Arbeitsprozess dokumentiert.

Kunsthoch Luzern
SA 2. September, 12 bis 19 Uhr: Im Rahmen des Kunsthochs Luzern macht Michael Sutter zusammen mit Christoph Fischer jeweils zur vollen Stunde eine Kurzführung.

Finissage
SO 17. September, 10 bis 16 Uhr: Um 11:00 Uhr wird «Rue de Blamage» für 15 CHF im Stattkino aufgeführt. Die vielleicht letzte Möglichkeit, den Film noch im Kino zu sehen.

Dieser Artikel ist in Kooperation mit dem Online-News-Portal Zentral+ entstanden und kann auch dort gelesen werden:

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